Alexander Kaiser, Designer bei Pooliestudios
21. Juli 2017Alexander Kaiser ist Designer und Inhaber der Pooliestudios. Er gewährt uns einen Einblick in den Entwicklungs- und Testing-Prozess des Mitgliederportals für die Volksbanken Raiffeisenbanken. Er erklärt uns, warum gutes Design sich vor allem durch Wirtschaftlichkeit auszeichnet und warum sich seine Designagentur zu einer Digitalagentur wandelt.
Vita
Alexander Kaiser sammelt bereits mit 16 erste Entwickler-Erfahrungen mit einem Supermodel-Blog, was ihm zwei Jahre später zu einer Stelle als Webmaster verhilft. Schule, Ausbildung und Studium bricht er ab. Über Nico Lumma wird er aber auf die New Media Management GmbH aufmerksam, bei der er in den folgenden Jahren Plakatkampagnen und Webdesigns erstellt. Schließlich gründet Alexander das Startup Plazaa. Nach einer kurzen Phase der Selbstständigkeit gründet Alexander im Jahr 2012 die Pooliestudios.
Tools
- Asana
- Sketch, Photoshop, Proto.io
- Dropbox Team
- Harvest
Hallo Alexander, wie alt bist du, und welchen Titel hast du bei Pooliestudios?
Ich bin 33 Jahre und der Inhaber von Pooliestudios mit 20 Festangestellten. Gegen Ende des Jahres werden wir vermutlich 30 sein. Wir firmieren auch bald als GmbH um, dann kann oder muss ich mich wahrscheinlich Geschäftsführer nennen.
Product Jobs
Wie lange gibt es Pooliestudios schon?
Gegründet habe ich Pooliestudios 2012 aus meinem Wohnzimmer heraus, als ich den Auftrag bekam meinpraktikum.de komplett neu machen. Kurz davor hatte ich mein Startup Plazaa gegen die Wand gefahren.
Was war der Grund warum Plazaa gescheitert ist?
Plazaa wäre erfolgreich gewesen, wenn wir wirklich viele Nutzer gehabt hätten. Für den Kölner Umkreis war das schon ganz okay. Als Google selbst mit Bewertungen ankam, ist Plazaa dann so langsam den Bach runtergegangen.
Aus dieser Startup-Phase habe ich mitgenommen, mich mehr auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Die Firma ist schnell skaliert, weil ein bisschen Geld da war. In der Situation habe ich ein Stück weit die Kontrolle verloren, und die Mitarbeiter passten einfach nicht richtig gut zusammen.
Wann passt denn für dich ein Mitarbeiter?
Wenn ich Leute einstelle, dann stelle ich mir immer die Frage, ob ich mit denen ein Bier trinken würde. Wenn die Antwort nein ist, wird die Person auch nicht eingestellt. Das ist mein Credo. Wenn ich andere Firmen sehe, in denen zum Beispiel gesagt wird: “Mit den Sales-Leuten willst du nichts zu tun haben”, dann ist das nicht mein Anspruch.
Wenn ich Leute einstelle, dann stelle ich mir immer die Frage, ob ich mit denen ein Bier trinken würde.
Als Inhaber einer Designagentur: wieviel designst du noch?
Die ersten zwei, drei Jahre habe ich noch super viel designt. Mittlerweile hat sich das gedreht, und ich designe zu 20 Prozent meiner Zeit. Den Rest der Zeit kümmere ich mich um Kunden und darum unsere Poolies happy zu machen. So nennen wir unsere Mitarbeiter.
Welche Rolle hast du in den Projekten?
Manche würden es Chief Digital Officer nennen. Aber wir würden uns nie solche Titel geben. Ich bin halt Berater. Und wir wollen immer von Anfang an mit dabei sein, weil wir das Digitale um ein Projekt herum verstehen. Wir sehen uns nicht nur als Design-Agentur, sondern auch als Entwicklungsagentur.
An welchen Projekten hast du zuletzt gearbeitet?
Für das Mitgliedernetzwerk der Volksbanken Raiffeisenbanken haben wir ein Portal für 18 Millionen Mitglieder gebaut, mit dem Vergünstigungen und andere Aktionen statt auf Papier, Fax oder mit Flyern auch digital funktionieren. Als Mitglied kannst du sogar an Votings teilnehmen, wenn es zum Beispiel darum geht das nächste Motiv für die Kreditkarte zu bestimmen. An einer App für das Portal sind wir auch gerade dran.
Ein anderes Projekt ist ein Fintech-Projekt für Capital Pioneers. Dabei geht es um den Aufbau eines digitalen Marktplatzes für qualitätsgesicherte Investitionen in Sachwerte. Das gab es vorher noch nicht und ist super spannend, auch wenn es nicht direkt so klingt.
Bei beiden Projekten geht es darum einen alten Papierprozess zu digitalisieren. Beide sind zudem in der FinTech-Branche. Ist das euer Ding?
Ich hätte jetzt nicht gesagt, dass das unser Ding ist, aber wir erhalten halt sehr viele Anfragen von Banken oder Fondsgesellschaften. Die haben derzeit oft nichts gutes Digitales oder machen ein bisschen Excel und arbeiten mit Software aus dem letzten Jahrtausend. Sie kommen auf uns zu und sagen: Hier ist ein Modell, was wir digital haben wollen. Und wir shippen das dann. Vielleicht ist das doch unser Ding.
Wie seid ihr beim Volksbanken-Projekt vorgegangen?
Die Beratungsgesellschaft Crossconsulting aus Köln hat einen ersten Entwurf des Projekts gemacht und den Volksbanken vorgestellt. Darin war bereits eine Zusammenarbeit mit uns vorgesehen, bei der wir schon in der Konzept- und Ideenfindungsphase dabei sind. Es ist oft so, dass wir Jobs über das interne Netzwerk bekommen, oder über Berater, die uns kennen. So war es auch in dem Fall.
Wie sieht die erste Phase genau aus?
Ein Digital-Stratege und ich gehen zum Kunden und machen erst mal ein Kick-Off Meeting, bei dem alle Positionen festgelegt werden. Zum Beispiel gibt es auf Kundenseite immer einen Product Owner, auf unserer Seite aber auch – wir nennen diese Position den Proxy-Product-Owner. Der weiß, welche Features wichtig sind und welche davon in das MVP müssen und der die Prozesse beim Kunden steuert. Den stellen wir dem Kunden zur Seite.
Dann kommt es immer ein bisschen darauf an, wie der Kunde aufgestellt und wie die Herangehensweise ist. Bei den meisten Projekten finden wir normale Strukturen vor und machen dann einen Mix aus Wasserfall und Agile.
Es bringt nichts, wenn die Agentur agile arbeitet, aber der Kunde mit seinen Prozessen nicht hinterherkommt.
Warum kann man da nicht komplett agile herangehen?
Agile bedeutet ja nicht nur, dass die Agentur so arbeitet, sondern dass der Kunde seinen Pflichten in so einem Prozess auch nachkommen muss. Bei den Banken entscheiden Gremien und Projektteams in eher weniger agilen Strukturen. Bei neuen Projekten versuchen wir daher immer so viel agil wie möglich durchzudrücken. Aber das alleine ist schon viel Arbeit.
Welche Aufgabe hat der Digital-Stratege?
Der Digital-Stratege befindet sich im engen Austausch mit dem Kunden und entwirft erste User-Stories und Wireframes, die er dann in Asana packt. Der Kunde wird in einen speziellen Slack-Channel eingeladen. Ich schaue mir die Entwürfe dann an, sodass wir immer mindestens vier Augen im Prozess dabei haben. So ist es auch in der Konzeptionsphase: Es ist immer ein Designer, ein Frontendler oder ein Entwickler mit dabei, um zu schauen, ob das Sinn ergibt.
Was war beim Volksbanken-Projekt die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung war es, alle Mitgliedsbanken und deren Mitglieder in ein System zu bekommen. Das ist bei diesem Mitgliedernetzwerk noch mal ein bisschen komplizierter, da es nicht die eine große, sondern sehr viele Banken und dazugehörige Mitglieder gibt, die alle eigene Ideen einreichen und abstimmen können sollen.
Welche Rolle spielt Testing bei den Pooliestudios?
Wir liefern nie nur ein Design, sondern zwei, die gegeneinander getestet werden. Wir wollen Designs liefern, die funktionieren und nicht einfach nur schön sind. Früher war es so, dass der Geschäftsführer sagte: Das Design finde ich super, das geht jetzt online. Aber das ist ja irgendwie weltfremd. Denn ob das Design funktioniert oder nicht, ist ja nur eine These und niemand weiß, ob das wirklich so ist.
Wir wollen Designs liefern, die funktionieren und nicht einfach nur schön sind.
Darum liefern wir immer zwei Designs: Eins, das dem Kunden gefällt, und eins, das wirklich anders ist, und von dem wir wollen, dass der Kunde es ausprobiert. Der Gewinner des A/B-Tests entscheidet dann. Und es ist uns egal, ob der Geschäftsführer das toll findet oder nicht. Im Nachhinein finden es alle toll, weil es ein wirtschaftlicher Erfolg ist.
Wie habt ihr das beim Volksbanken-Projekt angewendet?
Beim Punkt “Ihre Bank mitgestalten” ging es um ein Voting für das nächste Kreditkartendesign. Bislang war es so, dass der User auf die Seite kommt und erst mal ein riesiges Bild und einen Intro-Text sieht. Unsere These war: Das Bild erschlägt einen, und der Text interessiert niemanden. Bei unserem Entwurf sah man also sofort vier Kreditkartenmotive und den dicken Knopf “Jetzt abstimmen.” Und der Gewinner im A/B-Test war tatsächlich dieser Entwurf.
Aber auch das ist ja nicht das letzte Design. Selbst nach Release testen wir immer weiter.
Wie genau funktioniert das?
Wir haben eine Mitarbeiterin, die nichts anderes macht, als sich die Zahlen in Optimizely anzugucken und eigenständig immer weiter zu testen. Sie ist UX-Designerin und kann auch Frontend.
Wundern sich die Kunden nicht, wenn der Knopf auf einmal oben rechts statt links ist?
Eigentlich nicht, denn wir haben da im Laufe der Zeit eine Vertrauensbasis aufgebaut. Letztendlich ist es ja auch ein wirtschaftlicher Faktor, wenn wir ständig an den Stellschrauben drehen und die Conversion-Rate erhöhen. Bei einem Möbelshop haben wir zum Beispiel eine Conversion-Rate von vier Prozent. Wenn wir die auf fünf Prozent bekommen, dann verkauft er plötzlich wesentlich mehr Stühle. Das lohnt sich.
Welche weiteren Tools nutzt ihr beim Testing?
Wir benutzen zu 50 Prozent Optimizely. Aktuell gehen wir aber in Richtung Google Optimize, das zeigen uns die Kundenwünsche, und wir werden sukzessive darauf umstellen.
In welcher Programmiersprache entwickelt ihr am häufigsten?
Wir entwickeln ausschließlich auf PHP-Basis und vor allem mit dem Symfony Framework. Das machen wir unter anderem, weil wir über die Jahre ein krasses Know-how dazu aufgebaut haben. Und Kunden aus dem Bankenumfeld stehen auch darauf und kommen mit moderneren Technologien oft weniger zurecht, da diese nicht in bestehende Infrastrukturen passen.
Welche Tools sind für dich persönlich wichtig?
Die User-Stories schreibe ich direkt in Asana, Wireframes und Designs in Sketch. Es gibt noch ein paar Kunden, die wollen, dass wir weiterhin Designs in Photoshop machen, aber das nimmt nach und nach ab. Wir nutzen aber auch Proto.io. Du lädst deine Sketch-Datei hoch und kannst direkt mit dem Animieren anfangen.
Wie sieht es mit InVision aus?
Wir sind gerade von InVision zu Dropbox umgestiegen. InVision haben wir nur zum Sammeln von Kundenfeedback genutzt. Seit die neuste Version von Dropbox Team dies auch kann, ist InVision für uns obsolet. Da wir sowieso einen Dropbox-Account haben, konnten wir die 3.000 Euro im Jahr für die InVision-Lizenz sparen.
Was nutzen die Programmierer?
Die Entwickler nutzen GitLab für die Versionierung. Die Entwickler-IDE ist PhpStorm. Für die Arbeitszeitverwaltung nutzen wir Harvest, das Tool Nummer Eins für alle Poolies.
Wie viele Entwickler habt ihr?
Wir haben aktuell sieben feste Entwickler und stocken auf.
Würdest du sagen, ihr seid noch eine reine Designagentur?
Das ist gerade im Umschwung. In den letzten drei Jahren haben wir super viel designt. Kunden wollten aber immer mehr von uns, weil sie gemerkt haben, dass wir schon Peil von dem haben, was wir hier tun. Aus ein bisschen WordPress und ein bisschen Frontend wurde dann sowas wie ein Mitgliedernetzwerk für die Volksbanken. Mittlerweile würde ich uns als Digitalagentur bezeichnen.
Lass uns ein wenig auf dich persönlich eingehen. Wie hast du gelernt zu designen?
Mein erster Kontakt mit dem Web war über Super-Model-Blogs, die ich im Playboy-Umfeld gemacht habe. Da ging es um Galerieseiten von Models, über die man Banner geschaltet und pro Klick Geld bekommen hat. Damals war ich 16 und bekam regelmäßig Schecks aus den USA, die ich aber nicht einlösen konnte, weil ich minderjährig war. Also musste ich die Schecks meiner Mama geben, die natürlich auch gefragt hat, woher ich die habe. Irgendwann habe ich es ihr erzählt.
Wie ging es dann weiter?
Mit 18 habe ich die Handelsschule abgebrochen, bin einfach nicht mehr gegangen und habe mich bei einer Agentur in Köln als Webmaster beworben. Die fanden das mit den Super-Model-Seiten lustig und haben mich genommen. Dort startete ich eine Ausbildung zum Mediengestalter. Die ich dann aber ebenfalls abgebrochen habe. Ebenso wie den Studiengang zum Media-Producer am SAE-Institut. Damals hatte ich die Blogplattform kulando.de gestartetund Nico Lumma kennengelernt, der mit blogg.de ebenfalls eine Blogplattform hatte. Der bloggte damals, dass Media Ventures einen Junior Art-Director suchte.
Darauf habe ich mich dann auch beworben und ab da Plakatkampagnen und Webdesigns bei Ströer für neu.de und pkw.de gemacht. Wir waren damals schon relativ früh mit dem Thema Conversion-Optimierung dabei. In diesen sechs Jahren habe ich sehr viel gelernt und durfte sehr viel ausprobieren.
Danach gründete ich das Startup und dann Pooliestudios. Der Rest ist Geschichte.
Was bedeutet eigentlich Pooliestudios?
Poolie ist mein Nickname. Wir hatten damals bei meinen Eltern einen Swimmingpool im Garten. Und weil ich immer Fotos gepostet habe, auf denen ich im Garten am Pool gearbeitet habe, nannte einer meiner Kollegen mich immer Poolie. Seit dem habe ich den Namen.
Dann braucht ihr in der Agentur nur noch einen Pool.
Das stimmt allerdings. Wir bekommen in den nächsten Monaten noch eine Terrasse dazu. Dort wird dann auch ein Pool stehen.
Was müssen Bewerber mitbringen?
Sowohl bei Designern als auch bei Entwicklern ist es mega wichtig, dass sie schon mal etwas gemacht haben. Gerade im Designbereich kennt man uns jetzt schon ein bisschen, und wir bekommen recht viele Bewerbungen rein. Das sind meist keine echten digitalen Arbeiten, sondern irgendwelche Printflyer oder Plakate aus dem Studium. Aber was wir sehen wollen, sind Projekte, die sie aus eigenem Antrieb heraus entworfen haben, beispielsweise mal ein App-Design oder ein Apple-Watch-Interface.
Als Entwickler empfehle ich einen aktiven Github-Account zu haben und mal Code zeigen zu können. Das ist einfach unschlagbar.
Was sind wichtige Themen und Trends?
Die Zukunft ist für uns als Agentur von Anfang an bei einem Projekt dabei zu sein. Egal ob bei Startups oder großen Konzernen, es ist extrem wichtig einen Experten von Anfang an mit dabei zu haben, der den gesamten Kontext überblickt und versteht, wohin der Kunde will. Nur so lässt sich auch wirtschaftlich sinnvoll arbeiten. Das ist jetzt das große Ding, und so setzt man heute Projekte um.
Die Zukunft ist für uns als Agentur von Anfang an bei einem Projekt dabei zu sein.
Wie hältst du dich auf dem Laufenden?
Meine Lieblingsseiten sind land-book.com, awwwards.com und dribbble.com und ich habe jetzt wieder angefangen wie im Jahr 1990 RSS-Feeds in einen Reader zu packen. Da lese ich ab und zu. Jeden Morgen lese ich die Kaffeepause von digitalgefesselt.de. Außerdem gucke ich als der erste deutsche noch aktive Twitter-Nutzer mit der ID 1318 auch oft dort rein.
Vielen Dank für das Interview.
Dieses Interview wurde am 29. Mai in den Räumlichkeiten der Pooliestudios gehalten.
Webseite: Pooliestudios