Als Google die seitliche Werbeleiste aus den Suchergebnissen nahm, war das deutlich in den Zahlen zu erkennen, erzählt uns Anne Gradler von firststars, als wir sie im Berliner Büro interviewen. Einige Kunden spürten die Änderung durch erhöhte Klickpreise. Anne, seit 2013 bei firststars, ist eine akribische und gewissenhafte SEA Managerin. Gerade wenn es um Kunden-Budgets gehe, traue sie manchmal nur sich selbst. In unserem Interview gibt sie uns einen Einblick in ihren Arbeitsalltag in der 18-köpfigen Agentur firststars.
Vita
Anne Gradler ist Senior Marketing Managerin bei firststars. Ihre Online-Karriere beginnt bereits 2009 als Werkstudentin bei TopTarif. 2010 macht sie an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie ihren Betriebswirt. Über eigene Fashion-Blogs lernt sie autodidaktisch Adwords kennen. Nach weiteren Stationen im Online-Marketing bewirbt sie sich 2013 bei firststars, wo sie seit dem hauptsächlich im SEA-Bereich arbeitet.
Tools
Hallo Anne, was für ein Typ muss man als SEA Manager sein?
SEA Manager müssen gewissenhaft und akribisch sein. Wenn man sich in den Google AdWords-Konten der Kunden bewegt, muss man auf deren Budgets achten und darf keine Angst vor Zahlen und Tabellen haben. Unser Haupt-Werkzeug ist Excel und einige von uns arbeiten mit Pivot-Tabellen. Ich trage die Daten aber gerne noch per Hand ein.
Was ist deine Rolle bei firststars?
Bei firststars bin ich als Senior SEA Managerin für den SEA-Bereich zuständig. Ich betreue unsere Kunden aber auch ganzheitlich über andere Kanäle. Das heißt, ich bin für das Kick-Off, die Angebotserstellung und das Aufsetzen der AdWords-Konten beziehungsweise andere relevante Kampagnen zuständig. Ich kümmere mich um Budgetabsprachen, als auch um die Erstellung der Reportings.
firststars ist auch ein Ausbildungsbetrieb mit aktuell drei Azubis, die alle sechs Monate durch die Abteilungen wechseln. Meine aktuelle Auszubildende war schon im SEO- und Affiliate-Bereich tätig und beendet ihre Ausbildung kommendes Jahr.
An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Ich betreue gerade zwei Unternehmen aus dem Finanzwesen, was sehr spannend ist. Denn viele Finanzunternehmen wagen gerade zum ersten Mal den Schritt ins Online-Marketing.
Was unterscheidet diese Kunden von Anderen?
Man muss wissen: Jeder Kunde hat sein individuelles Setup. Bei den Finanzdienstleistungen geht es weniger um den klassischen Abverkauf wie zum Beispiel in der Modebranche, sondern um Leadgenerierung, die dann im besten Fall zu einem Verkauf konvertiert.
Die Zielgruppenansprache ist speziell, eher weniger werblich. Das ist schon eine Herausforderung, denn man muss die Zielgruppe von den Keywords her treffen und die Klickpreise sind recht hoch.
Wie ist das denn in der Modebranche?
Wir hatten zum Beispiel mal einen sehr großen Kunden aus der Modebranche und da gab es viel im Display-Bereich zu tun. Das war fast schon zu viel für eine Person, sodass mehrere Kollegen aktiv am Account arbeiteten. Jede Hose und jede Strickjacke musste eingepflegt werden. Das Einbuchen selber ist dabei nicht das Problem, sondern die tagesgenaue Optimierung. Ich schaue wie der Vortag lief und welche Gebote angepasst werden müssen. Das erfordert von einem SEA Manager sehr akribisches Arbeiten.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Ich fange hier meist um kurz nach acht an und genieße die Ruhe, solange noch nicht alle da sind. Dann lese ich meine Emails und die Newsletter und starte relativ entspannt in den Tag. Meist schaue ich mir die Zahlen des Vortages an und dann startet auch schon der Jour Fix mit meinem Chef, den Technikern und dem Kundenansprechpartner. Da geht es dann entweder darum zu klären, welche technischen Probleme es gibt, oder wir entwickeln neue Marketing-Ideen. Das haben wir relativ oft.
Product Jobs
Weiter im Verlauf des Tages überprüfe ich die Kunden-Konten oder erstelle Reportings. Hin und wieder kommt es vor, dass ein Kunde eine Sonderauswertung zu einer Kampagne habe möchte, wenn wir zum Beispiel aus dem Budget laufen. Wenn wir noch Geld übrig haben, überlege ich mir, wo sich das Budget noch einsetzen lässt.
In der Mittagspause essen wir meist alle zusammen in der Lounge. Einmal die Woche kocht unsere Teamassistentin für uns.
Was für Aufgaben hast du am Nachmittag?
Am Nachmittag telefoniere ich mit Kunden oder mit den Ansprechpartnern von Google und Bing. Optimierung steht eigentlich immer an. Da schaue ich mir die Klickpreise an und die Timings. Denn bei manchen Kunden laufen die Tage Montag, Dienstag und Mittwoch toll, bei anderen der Donnerstag. Das muss man dann berücksichtigen.
Gegen 18.30 Uhr mache ich dann Feierabend, wobei ich manchmal auch abends in die Konten reinschaue, ob alles läuft. Dank der mobilen Apps von Analytics und AdWords geht das auch ohne den Computer anmachen zu müssen.
Gibt es so etwas wie Notfälle in der Branche?
Wenn zum Beispiel die Seite des Kunden aufgrund von Serverproblemen nicht erreichbar ist, dann schon. Google lehnt Anzeigen ab, wenn die Seite nicht mehr erreichbar ist. Wir pausieren die Anzeigen dann so lange.
Es kam auch schon vor, dass Kunden am Freitag um 18 Uhr angerufen haben, weil ein Mitbewerber auf die Marke des Kunden bucht oder das Tagesbudget bereits aufgebraucht ist. Das sind aber meist Dinge, die man sofort klären kann bzw. kurzfristig für das Wochenende gefixt werden können.
Habt ihr einen typischen Prozess für das Onboarding eines Kunden?
Ja. Es ist so, dass die meisten Kunden, die wir komplett im Online-Marketing betreuen, mit SEA starten, denn da sieht man am schnellsten, ob ein Produkt funktioniert.
Am Anfang schreiben wir meist ein Angebot und nehmen an einem Pitch teil. Gewinnen wir den Pitch, setzen wir uns mit ihm in einem Kick-Off zusammen und besprechen die Ziele, steigen in Budgetverhandlungen ein und erstellen einen Forecast. Das ist bei jedem Kunden gleich und ganz wichtig. Denn nur so können wir auf den Kunden eingehen und entsprechend planen.
Im nächsten Schritt sprechen wir die Keywords und Anzeigentexte mit dem Kunden ab. Dafür nutzen wir Excel-Listen, die wir den Kunden schicken bevor wir es einbuchen, und in denen alle abstimmungsrelevanten Kampagnenpunkte aufgeführt sind. Dann geht es auch schon um das Aufsetzen der Kampagnen. Wir starten mit dem Suchnetzwerk, denn das Display-Netzwerk wird meistens für Reichweite genutzt. Je nachdem was für Produkte der Kunde hat, nehmen wir auch Google Shopping, Remarketing oder YouTube-Kampagnen dazu.
Natürlich haben wir vorher schon eine Wettbewerbsanalyse gemacht und überprüft, ob es überhaupt eine Nachfrage gibt. Dafür nutzen wir SEMrush und Sistrix.
Was genau muss der Kunde euch liefern, damit ihr passende Kampagnen erstellen könnt?
Die Zuarbeit des Kunden ist auf jeden Fall unabdingbar. Für die Erstellung von Texten und die Recherche der Keywords, brauchen wir sehr genaue Informationen.
Außerdem müssen die Landingpages optimiert sein, damit wir auch einen Erfolg sehen. Denn es bringt nichts, wenn wir für 10.000 Euro schalten und die Seite selbst lässt keinen Orderflow zu.
Bei Werbemitteln gibt es hin und wieder Kunden, die vier oder fünf Korrekturschleifen benötigen, bis sie richtige Werbemittel schicken.
Wie bist du SEA Managerin geworden?
Ich bin seit 2009 im Online-Bereich aktiv. Bei Toptarif habe ich als Werkstudentin angefangen. Das war zwar im Operations-Bereich, aber ich konnte dort schon die erste Online Marketing-Luft schnuppern.
Nebenbei habe ich einige Webseiten gehabt, zum Beispiel zum Thema Schuhe. Ich habe mich hingesetzt, Google Adwords-Konten eingerichtet und einfach geschaut, was ich mit meinem Geld erreichen kann, weil es mich interessiert hat. Klar, es gibt auch Bücher über Google Adwords. Aber gerade bei Google Adwords würde ich sagen, ist das so, dass wenn du dich nicht hinsetzt und dich einfach mal durchklickst, dann lernst du das auch nicht. Und so habe ich mir das dann alles im Laufe der Zeit selber beigebracht.
Ich war nach meinem Studium in verschiedenen anderen Unternehmen und habe recht schnell gemerkt, dass das, was ich gemacht hatte, gar nicht so schlecht war. Damals hatte ich relativ viel im SEO und SEM Bereich gemacht und mich dann aber vor vier Jahren auf den SEM-Bereich konzentriert.
Welche Rolle spielen Zertifikate?
Wir bei firststars besitzen in verschiedenen Bereichen Zertifikate, zum Beispiel bei Affiliate oder SEO. Ich bin Google Adwords zertifiziert, und auch bei Bing. Und das wiederhole ich auch jedes Jahr, denn dadurch kann ich mein Wissen überprüfen und sehen, wenn etwas hinzugekommen ist.
Für meinen Werdegang haben die Zertifikate allerdings noch nie eine große Rolle gespielt, denn man merkt im SEA Bereich recht schnell, ob das jemand kann oder nicht. Spätestens beim Aufsetzen verschiedener Kampagnentypen sieht man das. Da erlebt man teilweise die verrücktesten Sachen!
Für uns als Agentur sind Zertifikate aber insofern wichtig, weil sie Grundlage für den Google Partner Status sind. Da die Tests kostenlos sind, ist das aber überhaupt kein Problem.
Welche Tools verwendet ihr bei firststars?
Microsoft Excel ist das Standard-Tool in der Branche. Alle Berichte, die man sich zieht, landen erstmal in Excel. Da der Bereich sehr zahlengetrieben ist, ist das unabdingbar. Dann nutzen wir natürlich ganz klassisch den Google AdWords Editor, den Bing-Editor und Google Analytics, Sistrix und SEMrush. Eigentlich sollte der Bing-Editor in diesem Sommer kommen, aber der ist noch nicht da. Der Bing Ads Editor ist nun verfügbar!
Für die interne Kommunikation nutzen wir Skype. Da unser Team aber überschaubar ist, kann man auch einfach mal ins andere Büro rüber gehen, wenn man mit einem Kollegen etwas zu besprechen hat.
Für die Ticketerstellung arbeiten einige hier mit Podio. Jira wird hauptsächlich in der Technik verwendet. Und wenn wir über längere Zeit mit den Unternehmen zusammenarbeiten, dann klinken wir uns in die Ticketsysteme der Kunden ein.
Was sind aktuell die Themen und Trends, die dich beschäftigen?
Aktuell sind die „Expanded Ads“ ein wichtiges Thema. Dabei geht es darum, dass die Anzeigen den mobilen Anzeigen angepasst werden. Der Titel wird von einer auf zwei Zeilen erweitert und im unteren Bereich sind jetzt bis zu 80 Zeichen möglich. Unsere Erfahrungen sind da gemischt. Bei einem Kunden ist die Klickrate enorm gestiegen, während bei einem anderen nicht viel passiert ist. Wir beobachten genau, wie sich das weiter entwickelt.
Anfang des Jahres ist zudem die rechte Spalte in der Suche weggefallen. Einige Kunden haben das durch steigende Klick-Preise zu spüren bekommen, denn der Wettbewerb auf den Top 4 Anzeigeplätzen hat sich dadurch verschärft. Gerade für kleinere Unternehmen, die ein Limit haben, ist es schwierig mitzuhalten. Das Gleiche trifft auch auf Nischenprodukte zu, die teilweise ausschließlich auf der rechten Spalte ihr Geschäft gemacht haben.
Welche Rolle spielen neben Google andere Suchmaschinenanbieter wie Bing?
Wir nehmen Bing meist einfach hinzu, um auch die andere Suchmaschine mit abzudecken. Das Suchvolumen ist zwar sehr gering, aber wir beobachten, dass die Warenkörbe wesentlich höher sind als bei Google. Viele Kunden setzen darum verstärkt auf Bing und haben da auch relativ hohe Budgets. Etwa ein Drittel des Budgets geben sie im Schnitt bei Bing aus, gerade im Abverkauf ist das Interessant. Bei den Banken sind das eher fünf Prozent des Gesamtbudgets.
Ab wann macht es Sinn eine SEA Agentur anzurufen?
Immer dann, wenn es im SEA Bereich gar keine Expertise gibt, man aber voll durchstarten will, macht es Sinn sich entweder eine eigene Fachkraft ins Haus zu holen, oder eine Agentur zu beauftragen. Im Idealfall arbeitet dann die Fachkraft Hand in Hand mit uns zusammen und treibt das Thema intern voran.
Wie sehen eure Testprozesse aus?
Bei jedem Kunden lassen wir ganz klassisch Textanzeigen oder auch Banner in einem A/B-Test gegeneinander laufen. Wir testen aber auch viel im Usability Bereich mit Optimizely. Da sind wir auch eine zertifizierte Agentur.
Welche Rolle spielen Kundentermine?
Eine wichtige, denn unsere Kunden sind komplett in Deutschland verteilt, in Berlin, München, Stuttgart oder Hamburg. Meistens haben wir ein Quartalsmeeting oder wir stellen vor Ort neue Mitarbeiter vor. Physische Meetings vor Ort sind auch für Budgefragen, Zielbesprechungen oder die Planung der aktuellen Kampagnen sehr hilfreich.
Wenn man sich entscheidet SEA Manager zu werden, auf welche Kunden-Fragen muss man sich dann einstellen?
Die klassische Frage ist immer: Anne, ist unsere Klickrate jetzt gut oder schlecht? Oder: Anne, ist unsere Conversion Rate von 1% gut oder schlecht? Darauf kann ich pauschal keine Antwort geben, denn es macht keinen Sinn Unternehmen miteinander zu vergleichen. Ein Vergleich ist nur innerhalb des Unternehmens und über einen längeren Zeitraum oder bei halbwegs identischen Branchen und gleicher Zielgruppe möglich.
In den vergangenen Jahren ist mir mehr und mehr aufgefallen, dass Kunden anfangen sich zu informieren und Themen in Fach-Newslettern lesen, mit denen sie dann auf uns zukommen. Egal mit was Kunden kommen: Das A und O ist es darauf einzugehen. Egal welche Probleme oder Herausforderungen vor einem stehen: Wenn der Kunde merkt, dass er abgeholt wird, dann kann man viele Sachen besprechen und aus dem Weg räumen.
Auf welche Hilfsmittel kannst du für deine Arbeit ganz und gar nicht verzichten?
Mein Notizbuch! Da stehen viele Sachen drin, weil ich mir alles aufschreibe. Ansonsten mein MacBook, das ich auch privat nutzen kann. Außerdem brauche ich noch: Stifte, Süßigkeiten, Wasser, Tee, aber keinen Kaffee. Kaffee ist nicht so mein Fall. Und Notizzettel.
Was ist der größte Fehler, den du jemals gemacht hast?
(überlegt lange). Ich glaube wirklich, dass ich noch nie einen großen Fehler in meinem Job gemacht habe und ich denke das liegt daran, dass ich sehr gewissenhaft bin und lieber fünf Mal überprüfe, ob das Budget stimmt. Ich vertraue da nur mir selber.
Gibt es etwas, was die Wenigsten über deinen Job wissen?
Ich glaube die Meisten stellen sich meinen Job sehr einfach vor, so ein bisschen mit Keywords rumspielen. Aber das ist viel aufwendiger. Gerade das Gebote checken oder die Anzeigentexte erstellen und gegeneinander laufen lassen. Das muss ja alles getestet und beobachtet werden. Es gibt viele kleine Schritte in diesem Job und keinen darf man vergessen.
Welche Blogs kannst du zum Thema SEA empfehlen?
Ich lese immer noch sehr gerne Suchradar, die schon sehr lange auf dem Markt sind und mit vielen interessanten Themen aufwarten. Ansonsten noch Onlinemarketing.de und Internetworld. Ich habe mir auch viele Google Alerts zum Thema Google Adwords angelegt. Für das Lesen nehme ich mir jeden Tag bis zu einer Stunde Zeit, je nachdem wie es zeitlich passt. Denn ich merke, dass die Kunden mittlerweile richtig hinterher sind. Während es früher so war, dass wir uns für die Kunden informiert haben, hat jetzt gefühlt ein Umbruch stattgefunden. Man kommt einfach nicht mehr drum herum, sich als Unternehmen mit Online Marketing zu beschäftigen. Das merkt jetzt sogar die Finanzbranche.
Vielen Dank für das Interview.
Dieses Interview wurde am 5. September 2016 in den Räumlichkeiten von firststars in Berlin gehalten.
Webseite: firststars