Ben Müller, Gründer und Designer bei Silberpuls
27. März 2018Ben gewährt uns einen Einblick in seine Designagentur Silberpuls, die unter anderem die Logos von Westwing, Flaconi und Amorelie entworfen hat. Er erklärt in diesem Interview, wie sein Team den Shop von Maison Héroïne redesigned hat und warum sie für Kunden keine Präsentation für einen Prototypen erstellen, sondern ihn erst mal damit alleine lassen.
Vita
Ben bricht sein Studium der Biologie und Chemie auf Lehramt ab und absolviert bei der Agentur Heilmann und Klöppinger in Darmstadt eine Ausbildung zum Mediengestalter. In einer Digitalagentur in Bremen bringt Ben sich selbst HTML, CSS und JavaScript bei. Gemeinsam mit seiner Frau wagen beide schließlich einen Neuanfang in Berlin. Nach einem etwas unglücklichen Start als Selbstständiger, gelingt ihm der Durchbruch mit dem Kunden Westwing, woraufhin er die Agentur Silberpuls gründet.
Tools
- InVision
- Sketch, Photoshop
- Asana
- Skype, Facebook Messanger, WhatsApp
- Mite
Hi, Ben, was ist dein Job bei Silberpuls?
Hi, mein Name ist Benjamin Cyprian Sindram Müller und ich bin zu 60 Prozent Geschäftsführer, was ich eigentlich so nicht sagen kann, da wir noch ein Einzelunternehmen sind, und zu 40 Prozent bin ich Designer. Designer ist das, was ich in meinem Ausbildungsweg gelernt habe.
Ihr seid bekannt dafür, gute Logos zu designen. Ist das euer Steckenpferd?
So wie ich aus Versehen die Agentur gegründet habe, machen wir aus Versehen Logos. Es ist immer so, dass gerade Startups öfter mal „full service“ brauchen und wir das Logo brauchen, um eine Identität abzuleiten. Und so hat sich das halt herumgesprochen. Wir haben zum Beispiel für Westwing, Flaconi oder Amorelie die Logos designt.
Früher haben wir viel zum Thema Corporate Design gemacht. Mittlerweile ist das nicht mehr unser Core, weil wir uns in dieser UX- und UI-Kiste sehen und das sauber aufziehen wollen.
Wie gründet man aus Versehen eine Agentur?
Im Grunde habe ich seit meinem Bio- und Chemie-Studium immer wieder kreativen Kram gemacht, CD-Cover und Reportagen designt und über all die Jahre auch viel fotografiert und Kleinigkeiten wie Flyer entworfen. Irgendwann so um 2001 oder 2002 bin ich auf den Namen Silberpuls gekommen und habe mir die E-Mail-Adresse angelegt. Später wurde daraus dann der Name der Agentur.
Wie sieht dein Bildungsweg aus?
In Darmstadt habe ich mein Abi gemacht und danach den Zivi. Mein Vater spielte eine wichtige Rolle, denn er war sehr dominant und für mich so was wie ein Role Model. Er hat immer gesagt: Mit dreißig musst du wissen, wo dein Geld herkommt. Und ich dachte: Recht hast du. Das war so die Mentalität.
UX/Design Jobs
- SAP UX Consultant (m/w/d) bei ALDI International Services SE & Co. oHG, Mülheim an der Ruhr
- UI Designer Web Experience (m/w/d) bei REWE Digital, Köln
- (Senior) UX Researcher (m/w/d) bei Verivox GmbH, Heidelberg
- (Senior) UX Designer (m/w/d) bei Verivox GmbH, Heidelberg
- Senior UX / Product Designer (f/m/d) bei SAP LeanIX, Köln
Wie alt bist du?
Sechsunddreißig. Habe dann angefangen, das Gleiche wie er zu studieren, Bio und Chemie auf Lehramt, aber nach sechs Semestern gemerkt, dass es das auch irgendwie nicht sein kann. Über einen ehemaligen Band-Kollegen bin ich dann an eine Agentur gekommen, die Agentur Heilmann und Klöppinger in Darmstadt. Dort war ich insgesamt sechs Jahre, in denen ich meine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht habe. Das war damals sehr Print-lastig.
Meinen ersten Kontakt mit Digital hatte ich dann in einer Digital-Agentur in Bremen, in der ich mir HTML, CSS und JavaScript beigebracht habe. Da haben wir Webseiten mit Drupal umgesetzt. Dann haben meine Frau und ich überlegt, wir gehen jetzt nach Berlin, folgen nicht mehr dem Job, sondern dem Herzen, und machen das, worauf wir Bock haben. War im Nachhinein die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben.
In Berlin ging es nach einem kleinen Schiffbruch als Freelancer richtig los, als ich Westwing als ersten Kunden gewinnen konnte. Die kamen auf mich zu, weil sie über mein Portfolio gestolpert sind. Bin dann in den Flieger gestiegen und habe Stefan und Delia in einem Italiener auf der Prinzregentenstraße getroffen. Westwing war der Kick-off, dann kamen Flaconi und Amorelie. Die habe ich alle von null auf wachsen sehen. Das war supercool.
Lass uns über ein Projekt sprechen, an dem du uns zeigen kannst, wie ihr funktioniert.
Anton Jurina, Mit-Gründer von Armedangels, rief mich an und wollte unbedingt mit uns zusammenarbeiten. Wir hatten vor zwei Jahren bereits ein B2B-Projekt zusammen umgesetzt. Diesmal ging es um Maison Héroïne, ein Taschenlabel für Damenhandtaschen, die fashionable sind und in die man auch einen Laptop stecken kann.
Wie finden Kunden zu euch und was bringen sie schon mit?
Die meisten Kunden kommen über Empfehlungen zu uns und bringen manchmal schon eine Vision mit, manchmal nur eine vage Idee. Wir beginnen aber immer damit, dass wir Fragen stellen. Wir wollen herauskitzeln, welche Werte ein Unternehmen hat, warum es etwas macht und welche Alleinstellungsmerkmale es hat. Wenn wir das in etwa wissen, können wir davon ableiten, in welcher Tonalität ein Design sein soll und in welche Farbwelt wir abtauchen können. Wir sind in dem Stadium so ein bisschen ein Unternehmensberater light.
Warum macht ihr das?
Wenn wir das nicht so machen, dann zeigt uns die Erfahrung, dass man mit einem Design auch danebenliegen kann. Für den Kunden hat es außerdem den Vorteil, dass er danach weiß, wie er seinen Kunden ansprechen kann.
Wir erstellen für den Kunden eine Übersicht, die den technischen Part rausnimmt, aber sagt: Faktor 1 musst du machen, Faktor 2 und 3 nicht. Aber wieder Faktor 4. So können wir transparent ein sinnhaftes Produkt bauen, ohne ihn in eine undurchsichtige Kostenfalle zu locken. Manchmal kommen Kunden zu uns und wollen eine App mit Payment für 60.000 Euro von uns und wir gehen dann aus dem Workshop raus und sagen: Eigentlich braucht ihr eine Webseite und Email to order, kostet 8.000 Euro.
Warum nicht „Shut up and take the money?”
Das liegt vermutlich auch daran, wie mein Vater mich geprägt hat. Ich bin nun mal ein Harmoniemensch und ich will, dass man auf beiden Seiten fair zueinander ist. Das ist mir megawichtig. Das mag letztendlich auch der Grund sein, warum ich mit 95 Prozent meiner Kunden sehr gut befreundet bin. Das hindert mich daran, sie zu verarschen. Ich will ja auch nicht, dass sie mich verarschen.
Was war letztlich der Auftrag bei Maison Héroïne?
Er wollte einen neu designten Web-Shop haben und wollte eigentlich, dass wir nur ein bisschen am bestehenden herumfummeln. Während des Prozesses haben wir aber gleich gemerkt, dass der Shop ganz schön Grütze ist. Vielleicht noch zum Produkt selber: Wir machen ja nur das Design und das Development geben wir dann außer Haus. Bei Westwing habe ich das Frontend noch selber geschrieben, habe dann aber gesagt, dass wir uns fokussieren. Das heißt, wir gehen das „Produktdesign first“ an.
Bei Maison Héroïne haben wir uns dann für ein großes Storytelling auf den Artikel-Detailseiten entschieden, wie man es eher von einer Apple-Produkt-Detailseite kennt. Wir haben jedes Feature stark herausgearbeitet und mit Top-Notch-Produktfotos gearbeitet.
UX/Design Jobs
- SAP UX Consultant (m/w/d) bei ALDI International Services SE & Co. oHG, Mülheim an der Ruhr
- UI Designer Web Experience (m/w/d) bei REWE Digital, Köln
- (Senior) UX Researcher (m/w/d) bei Verivox GmbH, Heidelberg
- (Senior) UX Designer (m/w/d) bei Verivox GmbH, Heidelberg
- Senior UX / Product Designer (f/m/d) bei SAP LeanIX, Köln
Wie stellst du dann das Team für das Projekt auf?
Ich picke mir die Personen aus meinem Team heraus, von denen ich denke, dass sie gut zu dem Produkt passen, und mache mit ihnen einen internen Workshop. Das ist nicht ganz so einfach, denn es gibt Leute, die super illustrieren können, ein Mann kann andere Produkte designen als eine Frau, jemand, der zwanzig ist, macht ein anderes Design als jemand, der fünfunddreißig ist, jemand, der Interesse an Gaming hat, macht andere Dinge als die, die Fragrances und Beauty super findet.
Am Anfang haben wir dann aber auch oft mal zwei oder drei Designer an einem Produkt, um die Bandbreite und verschiedene Stilrichtungen abzudecken und mit dem Kunden zu checken, was funktioniert.
Spannend ist auch: Die meisten Kunden reden mit uns auf Deutsch. Das gesamte Team ist aber englisch. Das bedeutet, dass wir die Ideen, die wir im Workshop aufgegriffen haben, übersetzen müssen und bei der Übersetzungsarbeit noch mal darüber nachdenken müssen, was wir hier eigentlich machen.
Welche Rolle spielst du in diesem Prozess?
Ich sehe mich selbst da als Projektmanager in der Generalistenschiene und kann notfalls auch noch etwas mit reinnehmen, von dem wir denken, dass es auch ganz spannend wäre.
Wann bekommt der Kunde zum ersten Mal etwas zu sehen?
Nach dem Workshop und einem Debrief, in dem ich dem Kunden noch mal beschreibe, wie wir das Produkt verstanden haben. Das ist dann innerhalb von zwei Tagen verfügbar. Wir nennen das intern „One Day App“. Das bedeutet nicht One-Day-Kosten, sondern dass wir eine erste Version dessen in einem Scribble-Visio erstellen, das der Kunde uns auf der Textspur erstellt hat. Das ist dann nicht nur ein Wireframe, sondern schon angemalt und es liegt auch schon ein potenzielles Branding drauf.
Ist das schon ein Prototyp?
Das ist ein Prototyp, den der Kunde nach zwei bis drei Tagen vorliegen hat. Das ist der „Core of Use.“ Je nachdem wie komplex das Produkt ist, sind das manchmal auch vier oder fünf verschiedene Designs.
Welche Tools nutzt ihr in der Agentur?
Wir arbeiten viel mit Pen und Paper, beziehungsweise hier mit Folie und Wand. Ich taske und priorisiere alles in Asana, was den Vorteil bietet, dass wir eine transparente Kommunikation im Team haben. Danach arbeiten wir zu 98 Prozent mit Sketch, um die Geschwindigkeit an den Tag legen zu können, und pushen das dann in InVision. Da hast du dann schon mal einen Prototyp, mit dem man herumspielen kann. Dann gibt es erst mal einen Moment der Ruhe auf Kundenseite.
Wie kommuniziert ihr mit dem Kunden?
Wir versuchen, keine Präsentation zu machen, sondern das ein wenig nach dem Motto „friss oder stirb“ zu handhaben. Ich finde, wenn er alles vorgekaut bekommt und er sich selber keine Gedanken machen muss, dann misserzieht man den Kunden. Der Kunde will zum Beispiel auf Amorelie einen Vibrator kaufen und dem habe ich ja auch keine Präsentation gezeigt, wie der Shop funktioniert. Sondern er will ja einfach was kaufen. Und so machen wir das auch mit dem Kunden. Wenn das nicht funktioniert, dann haben wir was falsch gemacht.
Anfangs haben wir den Kunden noch mit in unser Asana genommen. Allerdings finde ich es eine Frechheit, anderen Leuten Tools aufzuzwingen. Wir nutzen eigentlich nur InVision gegenüber dem Kunden und wenn er mit einem eigenen Tool kommt, Slack oder einer WhatsApp-Gruppe, dann nutzen wir das. Wir kommunizieren vielfältig.
Gibt es sonst noch Tools, die ihr intern nutzt?
Wir haben einen Silber-Chat in Skype und es gibt einen auf Facebook. Facebook ist dann eher die ungezwungene persönliche Kommunikation und alles Geschäftliche geht über Skype. Außerdem nutzen wir noch Mite als Zeiterfassungstool, was für uns als Agentur, die auf Tagessätzen abrechnet, durchaus wichtig ist.
Da bleibt nicht viel Raum für schöngeistige Meisterentwürfe.
Ich glaube, das ist ein allgemeines Missverständnis, vielleicht auch durch solche Plattformen wie Dribbble, auf denen Leute, die keine Arbeit haben, den schönsten 3D-Schatten designen und eine Super-Flat-Animation erstellen. Das ist zwar alles echt cool. Letztendlich ist ein gutes Wireframe zehnmal wichtiger, als es später schön anzumalen.
Das unterscheidet uns vielleicht auch von Jung von Matt und Co. Da steht das Design im Vordergrund und dann soll die UX hinten aufgestülpt werden. Mein Verständnis von Design ist es, eine schöne UX zu machen. Wir entwerfen etwas mit einer 70-Prozent-Trefferquote und die dreißig Prozent bügeln wir dann im Prozess raus. Genauso war es auch bei Maison Héroïne. Ich saß dann mit der Designerin in diesem Fall zusammen und wir deklinierten die Core Reviews durch. Das sind dann meist so Halbstunden-/Stunden-Sprints.
Wann geht es dann ins Operative? Wo kommt der Entwickler ins Spiel?
In manchen sehr traurigen Fällen gar nicht mehr. Wir geben das Design ab und das war es dann und dann sehen wir in einem Jahr, was daraus geworden ist. Bei Maison Héroïne lief es so, dass der Auftrag an eine Agentur ging, die wir kannten. Da lief die Kommunikation in beide Richtungen und wir waren auf Zuruf beim „Daily“ da, um Probleme zu klären.
Wie sieht es mit Testing aus?
Bei manchen Kunden kommen wir gar nicht an die Daten ran. Bei Westwing arbeiten wir seit 2011 täglich am Produkt. Bei Amorelie arbeiten wir zum Beispiel im UX-Review. Das heißt, wenn die intern das Design fertig gemacht haben, schmeißen sie es uns über den Zaun und wir reviewen das noch mal.
Was brauchst du, um sinnvoll arbeiten zu können?
Einen 27-Zoll-Monitor, einen Helm und mein Mobiltelefon. Und Sitzbälle. Wenn ich die One-in-One-Sessions mit den Designern mache, dann sind die superflexibel, weil ich die dann da hinrolle.
Was war der größte Fehler, den du beruflich je gemacht hast?
Wahrscheinlich war einer der größten Fehler, die ich je gemacht habe, zu spät Leute einzustellen. Ich habe wahrscheinlich diesen typischen Prozess durchgemacht, den jeder Freelancer so mitmacht. Aus Angst heraus, nicht zu wissen, was man am nächsten Tag macht, arbeitest du mal 80 Stunden die Woche. Mit der Downside, keine Ansprache mit anderen Leuten zu haben und kein Korrektiv im Design. Das war schon scheiße.
Was wissen die Wenigsten über den Job als Designer?
Wie viele Diskussionen wir haben. Das können 60 Prozent Kommunikation und 40 Prozent Design sein. Deswegen heißt der Studiengang auch Kommunikationsdesign. Design bedeutet zum einen, etwas blau oder rot zu machen. Design bedeutet für mich aber auch machen oder nicht machen. Die Designentscheidung fällt schon viel früher. Und die Diskussion darum kann ziemlich intensiv und aufreibend sein.
Welche Bücher und Blogs kannst du empfehlen?
Das beste Lesen ist eigentlich das Diskutieren. Ich finde es wichtiger, seine Zeit darauf zu verwenden, sich mit jemandem zusammenzusetzen und etwas auszudiskutieren und auch unterschiedliche Meinungen zu haben, als zu viel Prosa zu lesen.
Wenn ich aber mal Zeit habe, dann lese ich auf medium.com. Das funktioniert für mich ganz gut. Facebook, Instagram und insbesondere YouTube konsumiere ich täglich. Facebook ist mein digitales Aggregat, um zu sehen, was interessante Leute so posten.
Würdest du sagen, ihr seid eine moralische Agentur?
Letzte Woche haben wir einen internen Workshop mit drei weiteren Agenturen gemacht und alle haben mich immer angeguckt und gefragt: Wieso wollt ihr immer Freund mit allen sein, was ist denn los bei euch? Mir ist es eben wichtig, moralisch sauber zu den Leuten zu sein, mit denen man umgeht. Man sieht sich immer zweimal im Leben.
Lieber Ben, vielen Dank für das Interview!
Dieses Interview wurde am 3. Juli in den Räumlichkeiten von Silberpuls in Berlin geführt.