Zwei Wochen ist das neue stylische Loft-Büro der Adblock-Plus-Macher im Szeneviertel Köln-Ehrenfeld alt, als wir Christian Dommers, Head of Business Development, besuchen. Er gibt uns einen Einblick in die Vertragsverhandlungen mit Microsoft und den Whitelisting-Prozess bei Adblock Plus.
Vita
Schon während seines Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln gründet Christian sein erstes Beratungsunternehmen, nur um direkt nach dem Abschluss gemeinsam mit einem Kommilitonen das Startup „Wer geht hin“ ins Leben zu rufen. Die dort gesammelten Erfahrungen kommen 2008 dem erst drei-köpfigen Team von Eyeo zu Gute, wo er fortan für das Business Development zuständig ist. Heute ist Christian Head of Business Development und Vater von zwei Kindern.
Tools
- SugarCRM
- Skype
- Slack
Hallo Christian, was ist deine Rolle bei Eyeo?
Meine Rolle bei Eyeo besteht darin, zusammen mit meinem Team alle umsatzrelevanten Partnerschaften zu betreuen und in die Wege zu leiten. Als ich vor fast vier Jahren zu Eyeo kam, waren wir gerade mal vier Mitarbeiter.
Heute habe ich selbst ein Team aus sieben Mitarbeitern, das zudem sehr interdisziplinär aufgestellt ist. Wir machen strategisches Businessdevelopment, Accountmanagement und Sales in einer Abteilung.
Seid gerademal zwei Wochen seid ihr hier in diesen neuen Büroräumen. Die wievielte Station ist das?
Die dritte Station. Angefangen hat alles im betahaus Köln. Da hatte Till Faida einen kleinen Schreibtisch, kaum breiter als er selbst. Als ich im Oktober 2012 dazu kam, machte das betahaus gerade zu, wir brauchten aber auch mehr Platz und sind dann ins Clusterhaus gezogen. Dort bezogen wir erst einen Raum in der zweiten Etage, dann einen zweiten und so weiter. Zuletzt belegten wir die komplette achte Etage und die halbe siebte. Heute sind wir fast 80 Mitarbeiter, bis zum Ende des Jahres könnten wir die 100 knacken.
Diese positive Entwicklung hat vermutlich auch damit zu tun, wie erfolgreich deine Abteilung ist.
Jeder trägt seinen Teil dazu bei und gibt sein Bestes. Wir können mit unserem Team nur herausholen, was mit dem Produkt an Substanz geschaffen wurde. Unser Hauptprodukt Adblock Plus ist mittlerweile auf über 100 Millionen aktiven Endgeräten. Das ist eine Schlagkraft, mit der man ganz anders Verträge macht und auch an internationale Partnerschaften wie zum Beispiel mit Microsoft und Yahoo herankommt.
Wir sind hier zwar aus der Provinz, aber wir agieren weltweit. Das macht meinen Job sehr spannend.
Dass ihr eine internationale Company seid, merkt man schnell. Mit Deutsch kommt man hier nicht sehr weit.
Die Unternehmenssprache ist Englisch. Die Hälfte der Mitarbeiter kommt nicht aus Deutschland, sondern aus aller Herren Länder. Ich denke, die Internationalisierung begann schon recht früh mit einem der ersten Mitarbeiter, einem Holländer, der lieber Englisch als Deutsch sprach. Danach kamen Entwickler aus Russland und den USA. Unser Pressevorstand ist auch aus den USA. Da haben wir uns schnell daran gewöhnt Emailkommunikation und Skype-Konferenzen auf Englisch zu machen. Alle unsere Dokumente sind auf Englisch.
Product Jobs
Grund dafür ist aber auch das Produkt selbst. Unser Gründer Wladimir Palant entwickelte 2006 einen Nachfolger einer bestehenden Ad-Blocking Software, die er international zur Verfügung stellte. Damals gab es das Plugin nur für den Mozilla Firefox. In den Ländern, in denen Firefox viel genutzt wurde, hatten wir einen sehr guten Start. Es gab keinen Grund das Produkt nicht international zu platzieren. Das ist im Übrigen ein guter Tipp für junge Startups: Wenn nichts dagegen spricht, warum nicht international starten?
Was bedeutet diese Internationalität für den Arbeitsalltag bei Eyeo?
Wir haben bei Eyeo ein zweigleisiges Modell. Wer gerne von zu Hause aus arbeiten möchte, der kann das tun. Meist kommen die neuen Mitarbeiter zu Anfang erstmal für ein halbes Jahr zu uns nach Köln, arbeiten mit uns und gehen dann zurück in die Heimat, wo sie von ihrem Homeoffice oder einem shared Space aus arbeiten. Zwei, drei Mal im Jahr kommen sie dann nochmal zu uns, wie zum Beispiel heute, da haben wir ein Sommerevent. Darum ist es heute auch ein bisschen voller als sonst.
Worin genau bestehen deine Aufgaben als Business-Developer?
Meine Aufgaben sind sehr vielfältig. Zum Beispiel übe ich langfristige Lobbying-Aktivitäten aus, für die ich auf Konferenzen fahre, um Vertreter aus anderen Unternehmen zu treffen, die unter Umständen zu irgendeinem Zeitpunkt mal wichtig werden.
Eine mittelfristige Aktivität besteht darin, sehr konkret an einer möglichen Partnerschaft zu arbeiten. Da gilt es den richtigen Ansprechpartner zu finden, mit dem sich eine Idee umsetzen lässt. So eine Kontaktanbahnung kann schon mal zwei bis drei Jahre dauern, bis mal etwas verwertbares herauskommt.
Man arbeitet im Business-Development immer sehr stark in die Zukunft rein.
Dann gibt es die kurzfristigen Arbeiten, die Dinge, die akut anstehen. Das können Vertragsverhandlungen sein, oder man testet das Produkt, das man betreut. Die Arbeit beinhaltet aber auch die Betreuung aktiver Kunden. Dafür haben wir Accountmanager. Ideal ist es, wenn man ganz nah am Menschen arbeiten kann und ein Gespür für Kommunikation und Abläufe mitbringt.
Kannst du an einem konkreten Beispiel zeigen, wie ihr arbeitet?
Ein gutes Beispiel für ein Projekt ist die Zusammenarbeit mit Microsoft. Da lief es so ab, dass sich Microsoft bei uns über das Formular online beworben hat, um auf die Whitelist zu kommen. Die Bewerbung wurde dann überprüft und landete bei mir auf dem Tisch. In 90 % der Fälle passiert das pro bono.
Erst ab einer bestimmten Schwelle an freigeschalteten Ad-Impressions, in etwa 10 Millionen im Monat, ist der technische Aufwand und der Support, der geleistet wird, so hoch, das separat verhandelt wird. Hier ging es um die Suchmaschine Bing, und so hatte ich die Aufgabe Kontakt aufzunehmen. Bald war klar, die meinen das ernst. Und dann ging es zur Sache.
Wie genau war dann der Ablauf mit Bing?
Nachdem die Vertragsverhandlungen abgeschlossen waren, ging es dann auch gleich los, und wir schauten, wie das Vereinbarte für beide Seiten funktionierte.
Der Partner misst seinen Erfolg und wir haben ein Auge darauf, was die Community zum Whitelisting sagt. Unser Business-Modell funktioniert ja so, dass wir über die Whitelist trotz geblockter Werbung durch AdBlock Plus Werbung anzeigen, die bestimmten Vorgaben entspricht. Dadurch erhält Bing zusätzliche Einnahmen und wir eine Beteiligung.
Wie war das für dich mit einem so großen Partner zu verhandeln?
Für mich war das eine aufregende Sache, weil ich noch nie mit so einer namhaften Firma in dieser Höhe verhandelt habe. Das ist das Schöne hier bei uns, man bekommt da einfach freie Hand. Ich habe also von A bis Z verhandelt, den Test veranschlagt und dann die Kooperationsverträge abgeschlossen.
Wenn man mit einer so erfolgreichen Firma verhandelt, lernt man sehr viel. Von den Directors, über die Vertragsabteilung bis hin zum Produktmanagement wurde sehr professionell gearbeitet.
Inwiefern war da dein Team involviert?
Bei einem Whitelisting sitzen mehrere Teams dran. Da gibt es mein Team, das direkt in Kontakt mit dem Partner ist und die Kommunikation betreut. Die Whitelist-Maintainer betreuen die Whitelist und schreiben die Ausnahmeregeln in die Textdatei und schauen, dass die auch funktionieren. Das kann sehr komplex sein, denn man muss den Quellcode gut verstehen und lesen können.
Parallel dazu beschäftigt sich dann unser Community-Management mit dem neuen Whitelisting, sucht den direkten Draht zu den Nutzern via Social Media und unserem Forum und sammelt Feedback.
Und dann gibt es noch die Qualitätssicherung, die die Whitelist ständig im Blick hat. Insgesamt sind vier Teams beteiligt.
Wie koordinierst du die Teams? Welche Tools stehen zur Verfügung?
Wir nutzen eine Vielzahl an Tools, wie viele andere Startups denke ich auch. Kern stellt unser CRM dar, wir nutzen da SugarCRM. Wichtig für das Business-Development ist, dass wir die Informationen möglichst gebündelt zur Verfügung stehen haben und nicht auf verschiedene E-Mail-Accounts verteilt sind.
Darum sind unsere Emailpostfächer mit dem CRM verknüpft. Alle Emails werden automatisch synchronisiert und so bekomme ich über das CRM eine Übersicht über den kompletten Emailverkehr, kann mir Dokumente und Verträge anschauen und erstelle Opportunities und Tickets. Zum Beispiel für das Whitelist-Team.
Wie sieht dein persönlicher Tagesablauf aus?
So um acht mache ich mich auf den Weg zur Arbeit, nachdem ich meine Familie am Niederrhein versorgt habe. Ich habe zwei Kinder und ich mache für die Familie meist das Frühstück. Im Zug erledige ich dann schon die erste wichtige Sache, die ich an diesem Tag erledigen möchte, bevor ich dann um halb Zehn im Büro ankomme. Dann begrüße ich alle und setze mich an den nächsten Aufgabenblock, was circa eine Stunde dauert.
Bis zur Mittagspause kommen dann Telefonate oder Meetings. Emails bearbeite ich nur an bestimmten Zeiten am Tag, weil ich glaube, das ist nicht effektiv, wenn man den ganzen Tag nur im Postfach arbeitet. Ich bin relativ früh wieder raus und nehme den Zug zwischen fünf und halb sechs Richtung Heimat.
Dann habe ich nochmal zwei Stunden mit der Familie und gegen acht Uhr mache ich Homeoffice. Manchmal steht auch ein Skypecall mit den USA an.
Wann bist du zufrieden mit deiner Arbeit und was bedeutet für dich Erfolg?
Erfolg bedeutet für mich zunächst einmal, wenn ich merke, meine Arbeit sorgt dafür, dass es anderen gut geht. Wir haben hier sehr viele Arbeitsplätze geschaffen, was dadurch möglich war, dass mein Team die Umsätze erwirtschaftet hat. Wenn ich das so sehe, denke ich schon, dass wir erfolgreich sind.
Zufrieden bin ich eigentlich immer dann, wenn ich sehe, dass der Prozess stimmt. Ich habe mir abgewöhnt Zielen hinterher zu hecheln und dann enttäuscht zu sein, wenn wir sie nicht erreichen. Das trägt nicht zum Wohlbefinden bei. Ich finde den Prozess viel wichtiger, damit man jeden Tag zufrieden zur Arbeit kommt, egal was auf dem Tisch liegt.
Wichtig ist auch, dass man nicht überheblich wird, nur, weil man eine Unterschrift bekommen hat. Man muss sich immer vor Augen halten, dass das nur ein Ergebnis von einem sehr langen Prozess ist, der am nächsten Tag weiter geht. Man muss seine Arbeit jeden Tag weitermachen können, das ist das Wichtige.
Was ist der größte Fehler, den du bisher gemacht hast?
Das ist eine schwierige Frage, über die ich lange nachgedacht habe. Es gab eine Zeit, wo ich es bereut habe, nach dem Studium direkt gegründet zu haben, da meine Gründung nicht so funktioniert hat, wie ich mir das vorgestellt habe.
Heute denke ich, dass es eigentlich keine Fehler gibt, solange man überhaupt etwas tut. Jeder Fehler führt zu etwas Positivem und das führt dich wieder zurück auf den richtigen Weg. Steve Jobs hat das in seiner Stanford-Rede gut zusammengefasst: „Man kann die Punkte nicht verbinden, wenn man sie vor sich hat. Die Verbindung ergibt sich erst im Nachhinein.“ Die scheinbaren Fehler sind Punkte, die für das Weiterkommen wichtig sind. Wichtig ist, dass man sie macht und es anpackt.
Was würdest du Leuten empfehlen, die sich überlegen so etwas tun zu wollen wie du?
Wichtig ist ein analytisches Denkvermögen. Ein Studium ist nicht unbedingt erforderlich, denn man kann auch eine Ausbildung gemacht haben und einfach viel Praxiserfahrung mitbringen. Man sollte auch ein bisschen Lust auf Verträge und juristische Themen haben.
Ich habe an der Universität Köln Betriebswirtschaftslehre studiert und dadurch viel Theorie mitbekommen. Mit der reinen Theorie kann man aber nichts anfangen. Wichtig ist, dass man sich anhand von Fallbeispielen die Theorie zu erklären versucht. Nach dem Studium habe ich „Wer geht hin“ gegründet. Da habe ich vieles gelernt, was ich vier Jahre später gut gebrauchen konnte, als ich zu Eyeo gewechselt bin. Business-Development ist ein Job, in dem du viele Schnittstellen zu anderen Abteilungen hast und der darum ganz gut ist für Leute, die nicht wissen, wohin sie wollen, weil sie so wie ich ein „Jack of all Trades“ sind.
Gibt es etwas, was in deinem Job im Business-Development immer wieder falsch gemacht wird?
Es gibt Kollegen, die es oft verwechseln, ob sie nun sich oder ihre Firma repräsentieren. Man ist kein Selbstdarsteller, sondern idealerweise jemand, der sich zurücknimmt, und möglichst sachlich und dezent kommuniziert.
Sobald man irgendwie auf Ego stößt, laufen die Dinge nicht effektiv.
Die besten Leute sind dezente Menschen, die sachlich argumentieren, sich nicht von Meinungsmachern ablenken lassen und keinen Drang zur Selbstdarstellung haben.
Gibt es etwas, das dich inspiriert?
Ja, ich lese viel und nehme mir jeden Tag circa eine Stunde dafür Zeit. Das ist dann weniger Unterhaltungsliteratur, sondern eher Texte aus Philosophie, Wirtschaft und Psychologie. Im Moment lese ich zum Beispiel die alten Philosophen aus der Zeit der Stoiker, Marcus Aurelius oder Seneza.
Was gefällt dir besonders an Marcus Aurelius?
Seine unbeschwerte, pragmatische Sicht auf die Dinge. Er vertritt keine komplexe Philosophie sondern steht für einfache Lebensregeln, die jedem, der sie liest, sofort eine Unterstützung bieten.
Welche Bücher oder Blogs kannst du empfehlen?
Das Blog Farnam Street! Das Blog ist für alle, die strategisch denken müssen, eine sehr gute Zusammenfassung von Denkmodellen verschiedenster Disziplinen. Das ist ein Blog bei dem man, wenn man ihn verfolgt und darin liest, wirklich ein bisschen schlauer wird.
Vielen Dank für das Interview.
Webseite: Eyeo GmbH
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