Hendrik Lennarz, Head of Product bei Trusted Shops
08. Oktober 2016Vogelgezwitscher kommt durch das geöffnete Fenster, als wir Hendrik zu seinem Job bei Trusted Shops interviewen. Trusted Shops ist in den letzten Jahren so etwas wie die TÜV-Plakette für Shopbetreiber geworden. Hendrik führt uns durch das Büro in Köln und zeigt uns mit Jira Agile, Slack, Google Analytics, WordPress, Optimizepress, Google Docs und Facebook das Toolsetup seines Produktmanagement-Teams.
Vita
Hendrik Lennarz absolviert 2006 an der Universität Siegen sein Studium zum Diplom Wirtschaftsinformatiker. Kaum zwei Jahre und drei Anstellungen später, findet Hendrik Trusted Shops, wo er die nächsten 10 Jahre beim Aufbau mitwirkt. Heute ist er Executive Director of Product & Technology und ein gefragter Speaker zum Thema Growth Hacking.
Tools
- Jira, Jira Agile
- Slack, Google Analytics, Optimizepress, Google Docs
- WordPress, Facebook
Empfehlungen
- Bücher: „Platform Revolution“, „The Challenger Sale“
- Blogs: growthhackers.com, producthunt.com
Social
LinkedInHendrik, erzähl doch ein bisschen über Deine heutige Rolle bei Trusted Shops.
Ich bin jetzt schon seit 10 Jahren bei Trusted Shops. Als ich nach meinem Studium angefangen habe, waren wir 11 Leute und hatten gerade mal 1.000 Shopbetreiber als Kunden. In den ersten Monaten habe ich viel an unseren Systemen herumprogrammiert und unter anderem auch den shopbetreiber-blog.de gestartet. Zur Erinnerung: Es war damals die Zeit vom Web2.0. Facebook, Instagram, Whatsapp und Co. waren noch lange nicht in Sicht. So lange ist das schon her.
2009 launchten wir dann das Kundenbewertungssystem für alle Online-Shops. In nur 3 Monaten schafften wir es mit einer nur 3-köpfigen Task Force das Tool zu konzeptionieren, implementieren und dann den 3.000 Bestandskunden über Nacht zur Verfügung zu stellen. Das war dann damals meine Initialzündung für das Produktmanagement.
Ab diesem Zeitpunkt haben wir das Produktmanagement konsequent immer weiter aufgebaut und durch kleine schlagfertige Teams ausgestattet. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Produktportfolios, die Internationalisierung, die Verbesserung interner Prozesse und natürlich vor allem der Aufbau des Teams gehören seitdem zu meinem Tagesgeschäft.
Mittlerweile sind wir in der Unit „Product & Technology“ 53 Leute, bestehend aus Product Ownern, Scrum Mastern, Developern, UXlern, Business Analysten, Project Managern, Online Marketing Managern und Growth Hackern. Organisiert sind wir in 6 „autarken“ Scrum-Teams, die unsere Produkte mit Hilfe von hunderten Kundenfeedbacks weiterentwickeln.
Diesen bunten Haufen als Team zusammenzuhalten, jeden einzelnen besser zu machen, sowie natürlich die Produktvision von Trusted Shops Schritt für Schritt umzusetzen, das ist meine Aufgabe.
An welchen Projekten arbeitest Du gerade?
Wir haben erst kürzlich die Mitgliedschaft für Online-Shopper gelauncht. Die Bekanntheit von Trusted Shops unter den Verbrauchern ist schon seit vielen Jahren ein großer USP von Trusted Shops gegenüber den Marktbegleitern. Mit der Mitgliedschaft für Online-Shopper möchten wir diesen USP noch weiter stärken. Die einzelnen Services, die Trusted Shops gegenüber den Verbrauchern bietet, werden jetzt klarer herausgestellt und tatsächlich auch erlebbar gemacht. Schon dieses Jahr konnten wir bislang über 3,5 Millionen Registrierungen von Online-Shoppern verzeichnen. So viele Leute überzeugen zu können, macht einen Produktentwickler natürlich schon stolz.
Product Jobs
Zudem arbeiten wir natürlich konsequent an der Ausweitung von Trusted Shops. Durch den Aufbau eines kleinen unabhängigen Incorporate-Startups mit dem Namen „Trustbadge.com“ versuchen wir mit schnellen und skalierenden Growth Hacking Prinzipien neue Zielmärkte und Zielgruppen zu erschließen.
Nebenbei schreibe ich an einer zweiten Auflage meines eBooks „Growth Hacking für Non-Startups“, das mit Hilfe eines Verlages Ende des Jahres auch in den Handel kommen soll.
Bitte beschreibe den typischen Arbeitsablauf, den es in deinen Projekten gibt. Wie sieht der typische Produktentwicklungsprozess bei euch aus?
Die 6 Scrum-Teams arbeiten in zwei-Wochen Sprints. Das Tagesgeschäft ist geprägt von Pair-Programming, Daily Scrums, Retros und von allem was ein agiler Entwicklungsprozess so vorsieht. Meine Product Owner und ich haben natürlich Jourfixes bei denen wir uns inhaltlich und/oder technisch zu den aktuellen Themen austauschen. Dabei werfen wir auch einen Blick ins Backlog, auf Kundenfeedbacks oder diskutieren neue Ideen.
Bei uns besonders sind die übergreifenden Sync-Meetings. Nach Abschluß eines Sprints dürfen die Product Owner ihr erreichtes Sprint-Goal, sowie das kommende Sprint-Goal unternehmensweit präsentieren. Für das Unternehmen und natürlich auch die Produktteams ein super wichtiges Ereignis, weil man hier sehr genau erfährt, was ist tatsächlich entwickelt worden und jetzt für die Kunden verfügbar und was kommt als nächstes. Aus jeder Abteilung sind Leute dabei – so versuchen wir sicherzustellen, dass immer eine Nähe zur Produktentwicklung besteht.
Die Herausforderung der Produktteams ist natürlich, neben der Entwicklung, die Nähe zum Kunden zu behalten. Pre-Launch Kampagnen, Early-Bird Phasen, Kundendemos, AB-Tests, Live-Chats und natürlich hunderte Feedbacks aus dem Kundenservice und den Sales-Teams sind hier besonders hilfreich.
Was sind im Moment für dich die wichtigsten Themen und Trends in der Produktentwicklung?
Definitiv DevOps. Für Firmen mit massivem Traffic, der pro Feature, pro Kunde und pro Zielmarkt auch immer weiter zunimmt, ist es unabdingbar sowohl technisch als auch organisatorisch Lösungen zu finden, wie man die technische Infrastruktur performant und skalierend aufbaut. Hier gibt es in der Szene meines Erachtens derzeit sehr viel Buzzword-Bingo. Das hilft leider niemandem. Sondern es gilt, die richtigen Leute zu finden und dann zu handeln.
Ich sehe dieses Problem auch immer häufiger in Startups. Sie starten sehr „Lean“, was super ist. Aber sobald der Traffic auf einmal da ist, wird händeringend nach einem CTO gesucht, der die gesamte technische Infrastruktur neu aufbauen soll. Kostet viel Zeit, Geld und Nerven. Lieber von Beginn an jemanden mit ausreichend technischer Expertise dazu holen.
Welche Softwaretools nutzt du in deinem Job?
Meine Teams leben in Jira bzw. Jira Agile. Slack, Google Analytics, WordPress, Optimizepress, Google Docs und Facebook sind meine Tools, die ich täglich nutze.
Wie sieht dein Arbeitsplatz aus, auf welche Hilfsmittel kannst du nicht verzichten?
Mein iPhone und mein Notebook. Mehr brauche ich nicht . Doch, richtig guten Espresso.
Gibt es Dinge, die du anders machst, als andere?
Ich stehe sehr früh auf, um entweder an neuen Ideen zu arbeiten oder Sport zu machen. Morgens ist alles so schön ruhig, da bin ich einfach besonders produktiv. Das Gefühl nach einer morgendlichen Lauf- oder Radeinheit ist für mich immer das gleiche – „Jetzt kann kommen was will.“
Wann bist du zufrieden mit deiner Arbeit, wie beurteilst du den Erfolg?
Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit, wenn ich das Gefühl habe, es geht vorwärts. Das Gefühl von Stillstand ist nichts für mich. Ein gutes Kundenfeedback, ein glücklicher Mitarbeiter oder ein erfolgreiches Release können mich sehr zufrieden stellen.
Die Definition von Erfolg ist meines Erachtens nach sehr subjektiv. Eltern sagen doch immer „Der oder die macht Karriere…bei der Bank, bei McKinsey, an der Uni, in München….“ Aber was heißt das genau? Für mich ist man erfolgreich, wenn man mit seinem Alltag glücklich ist. Und das beinhaltet viel mehr als nur das Berufliche. Familie, Freunde, Reisen und Sport sind mir persönlich enorm wichtig.
Ein Spruch von meinem Opa: „Was bringt es ein Konto voller Geld zu haben, wenn man keine Zeit hat es auszugeben.“ Das passt, finde ich.
Was ist der größte Fehler, den du bisher beruflich gemacht hast?
Ich bin nach dem Studium viel zu schnell in den Job gestartet. Die Zeit für eine 1-jährige Weltreise oder das Gründen von 1, 2, 3 Startups bekommt man nie wieder so einfach geschenkt wie damals. Aber natürlich ist alles möglich, aber eben nicht mehr so einfach, wie früher 😉
Was wissen die wenigsten über deinen Job?
Ich kann mir vorstellen, dass sich viele das Arbeiten in einem Online-Unternehmen so vorstellen, wie immer durch Google, Facebook und Co. über die Presse und in Kinofilmen vermittelt. Super entspannt, volle Flexibilität, alle haben sich lieb und spielen pausenlos Kicker.
Natürlich ist das Umfeld deutlich lockerer als beispielsweise in Industrieunternehmen oder einer Beratung. Allerdings gibt es hinsichtlich der Workloads, Geschwindigkeit der Veränderungen, Drucksituationen und vor allem auch der permanenten Erreichbarkeit von Mitarbeitern hier einfach andere Herausforderungen.
Für umso wichtiger halte ich ein gut funktionierendes Team-Gefüge. Ich kann mich da sehr glücklich schätzen ein tolles Team zu haben, welches sehr zielorientiert und konzentriert arbeiten, aber auch genauso gut zusammen feiern kann. Aber genau dieses Team-Gefühl muss regelmäßig gepflegt werden, das wird von vielen unterschätzt.
Was wird deiner Meinung nach in deinem Job immer wieder falsch gemacht?
Einerseits bezieht man die Kunden nicht genug in die Produktentwicklung mit ein, sondern entscheidet aus dem Bauch raus, was für den Kunden am besten ist. Andererseits nimmt man Kundenfeedbacks von Kunden, die aber nicht dem typischen Kunden entsprechen, zu ernst und verbiegt sich selbst und sein Produkt um es möglich zu machen.
Die Balance zwischen bedingungsloser Kundenorientierung und der Entwicklung von Innovationen ist leider super schwierig.
Was macht dich wahnsinnig an deiner Arbeit als Produktmanager, wo glaubst du geht am meisten Produktivität verloren?
Kommunikation ist das A und O. Zu viele Meetings gehen natürlich auf die Produktivität. Zu wenig Meetings ebenfalls, da man oft hinterher reparieren muss. Wie beim Kölsch trinken, ist das richtige Maß an Kommunikation die Lösung. Schwierig.
Außerdem, macht es mich wahnsinnig, wenn sich Fehler wiederholen. Fehler machen ist ok, aber bitte nicht wiederholen.
Wer oder was inspiriert dich?
Ganz vorne steht meine 2-jährige Tochter Marlene. Wie schnell sie das Leben lernt, jeden Tag etwas Neues, mittlerweile sogar ohne, dass man es ihr explizit beibringt. Einfach verrückt.
Zudem beeindruckt mich die Art und Weise, wie Ironman-Weltmeister Jan Frodeno derzeit den Wettbewerb beherrscht. Er scheint keine Tagesform zu kennen und performt auf Knopfdruck und mit Ansage.
Oder Produkte, die in gefühlter Lichtgeschwindigkeit auf einmal die ganze Welt erobern, obwohl gestern noch keiner an sie gedacht hat. Meistens so simpel, dass jeder Produktentwickler glaubt „Die Idee hatte ich doch auch schon vor drei Jahren.“ Zeigt wieder, dass eine Idee allein nichts wert ist.
Welche formelle Ausbildung hast du? Wie wichtig war sie für deinen heutigen Job?
Ich habe 2006 meinen Abschluss als Diplom Wirtschaftsinformatiker an der Universität in Siegen gemacht. Was hat es mir gebracht? Sicher jede Menge Erfahrung wie man sich selbst und vor allem seine Zeit priorisiert. Ansonsten bin ich eher kein Theoretiker. Programmieren lernen auf einem Zettel war für mich schon immer schwierig. Alles was dann in die Praxis ging, wie Programmierpraktika oder meine zahlreichen Programmier-Nebenjobs, haben mir persönlich viel gebracht.
Heute lerne ich viel durch den Austausch mit Gleichgesinnten. Meetups sind da immer wieder eine tolle Gelegenheit zu schauen, wie andere dies oder das umsetzen. Auch Fehler, die andere schon gemacht haben, muss man ja nicht wiederholen.
Welche Bücher und fachspezifischen Blogs würdest du anderen Interessierten empfehlen?
Davon gibt es hunderte. Derzeit lese ich gerade „Platform Revolution: How Networked Markets are Transforming the Economy and How to Make Them Work for You“ und „The Challenger Sale: Taking Control of the Customer Conversation“ und kann beides wärmstens empfehlen.
Mittlerweile lese ich weniger spezifische Blogs, sondern bin aktiver auf Plattformen wie growthhackers.com, producthunt.com und medium.com. Meine persönlichen Leseempfehlungen sammele und kommentiere ich auf meinem eigenen Blog unter growthhackerlove.com.