Wir ersteigen den verwitterten Treppenaufgang in einem Backstein-Gebäude von 1909, ein Summer öffnet die schwere Metalltür. Wir sind im Berliner Office von Performics, ehemals AKM3, angekommen. Sido hat hier sein Studio und Dj Desue wohnt darunter, erklärt uns Magdalena Mues, mit der wir einen Interviewtermin haben. Wir nehmen in einem Besprechungsraum platz, durch dessen Glaswände wir einen guten Blick auf die vielen Mitarbeiter an ihren Computern haben und hören zu, wie Madgalena von einer studentischen Hilfskraft zur Redaktionsleiterin und schließlich zum Senior Consultant wurde.
Vita
Magdalena Mues erfüllt sich den Traum nach Berlin zu kommen schon während ihres Studiums und wechselt von Paderborn an die Berliner Humboldt-Universität, an der sie 2011 mit dem Master of Arts abschließt. Ihr Studium finanziert sie sich als Redakteurin. Als die Agentur schließt, bewirbt sie sich bei Performics, wo sie zunächst die Online-Redaktion aufbaut. Heute ist sie Senior Consultant.
Tools
- Asana, Jira, Trello
- Sistrix, Searchmetrics
- Webtrekk, OnPage.org, ahrefs, Majestic
- Skype
Hallo Magdalena, was ist deine Aufgabe bei Performics?
Hier im Standort Berlin bin ich eine von vier Senior Consultants. Mein Schwerpunkt liegt im SEO. Ich bin Hauptansprechpartner für den Großteil der Kunden, das heißt ich betreue den Kunden von der Anfrage, über den Pitch, bis hin zur Unterschrift und koordiniere auch die Dienstleistung. Ich bin also auch Projektmanagerin, die die Aufgaben delegiert.
Mit dem Analysten-Team setze ich mich aber auch an Spezialthemen, wie zum Beispiel die aktuellen Änderungen beim Keyword-Planer.
Welche Änderungen gibt es denn beim Keyword-Planer?
Bislang war es so, dass der Keyword-Planer ausgespuckt hat, wie viele Leute in einem bestimmten Land monatlich mit genau diesem Suchbegriff suchen. Der Begriff „Schuhe kaufen“ wurde da, ich sag einfach mal, mit 100.000 angegeben. Jetzt ist es so, dass semantisch ähnliche Begriffe in Cluster zusammengefasst werden. Der Begriff „Schuhe“ und „Schuh“ werden dann auch zum Cluster hinzugefügt, obwohl sie andere Suchvolumina aufweisen. Das heißt die Daten sind verfälscht. Aktuell sind bereits Einzahl/Mehrzahl, Abkürzungen und Synonyme in einem Cluster zusammengefasst.
Update: Mittlerweile liefert der Keyword-Planer bei einigen Accounts sogar noch ungenauere Daten. Wenn man z.B. nach „Schuhe“ sucht, wird einem nur noch angezeigt, dass zwischen 10.000 bis 100.000 Leute monatlich nach dem Suchbegriff suchen.
Mit dem Analysten-Team und unserer IT überlegen wir jetzt, wie wir es schaffen an die bislang frei verfügbaren Daten mit einem Workaround heranzukommen.
Welche anderen Themen beschäftigen dich über das Tagesgeschäft hinaus?
Was uns gerade sehr beschäftigt ist das Thema AMP, also Accelerated Mobile Pages. Das ist ein Service von Google, bei dem ein Template zur Verfügung gestellt wird, in das man die eigenen Inhalte einfügen kann. Wenn mobile Suchanfragen abgerufen werden, featured Google die AMP-Suchergebnisse. Inhalte, die man via AMP zur Verfügung stellt, werden aber nicht nur gefeatured, sondern auch extrem schnell geladen, was im mobilen Bereich sehr wichtig ist.
An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Ich habe natürlich meine Kundenprojekte, an denen ich arbeite. Das sind Startups, aber auch große DAX Unternehmen.
Bei einigen Kunden geht es gerade um das Thema Content-Marketing. Das Thema ist nicht mehr neu und ich würde es auch nicht mehr zu den Trends zählen. Aber in großen Unternehmen, die vielleicht ein bisschen langsamer sind und wo Entscheidungen eine Weile brauchen, bis sie getroffen werden, kommt das Thema jetzt erst an.
Wir müssen die Funktion des Beraters, die es so nur in einem realen Geschäft gibt, als Content auf die Webseite holen.
Ihnen wird bewusst, dass sie mehr erklärenden Content auf ihrer Seite brauchen. Wir nennen das „informationellen Content“. Es reicht einfach nicht mehr nur Produktseiten zu haben.
Welche formelle Ausbildung hast du? Wie ist dein Werdegang?
Nach dem Abitur habe ich in Paderborn germanistische Sprachwissenschaft und Geschichte studiert. Das war der erste Bachelor-Jahrgang, entsprechend war auch noch nicht alles so ausgeklügelt. Ich hatte zunächst vor auf Lehramt zu studieren, mich aber dann dagegen entschieden, worüber ich gar nicht so unglücklich bin.
Product Jobs
Während des Studiums habe ich meine große Liebe zu Berlin entdeckt und gedacht: Egal was ich dort mache, ich muss nach Berlin. Ich habe dann hier ein halbes Jahr in einem Verlag gearbeitet. Allerdings merkte ich relativ schnell, dass die Erfolgschancen im Verlagswesen sehr gering sind.
Danach habe ich mich für ein Masterstudium der Kulturwissenschaften an der HU Berlin entschieden und parallel dazu einen Nebenjob gesucht. Dabei bin ich auf ein Startup gestoßen, das Texte in einer bestimmten Länge brauchte und in denen gewisse Begriffe mit einer gewissen Häufigkeit auftauchen sollten. Ich habe also angefangen SEO-Texte zu schreiben und mich schließlich dafür interessiert, warum ich die Texte so schreiben muss. Das war der Moment, an dem ich mich erstmals ernsthaft mit Search Engine Optimization auseinandergesetzt habe. Zwei Monate bevor ich mit dem Masterstudiengang fertig war, ging das Startup pleite.
Früher hieß es: Ist egal, es liest sowieso niemand. Heute müssen Texte gerne gelesen werden.
Da habe ich mich dann bei der Agentur Performics beworben, die damals noch AKM3 hieß. Wir waren damals noch in der Torstraße, dem Place-to-be für Startups in Berlin. Damals habe ich in der Redaktion gearbeitet.
Wie lange bist du schon bei Performics?
Sechs Jahre.
Und wie ging es dann weiter?
Irgendwann war der Moment da, an dem ich meine Masterarbeit abgegeben hatte und ich mich fragte, was ich machen will. Einer der Chefs hat mich dann bei einem Bier gefragt, ob ich nicht dableiben will. Ich habe angenommen.
Als erstes habe ich die Redaktion geleitet und aufgebaut, bis es die größte Abteilung bei Performics war. Nach knapp zwei Jahren wollte ich mehr. Zu dem Zeitpunkt fing unsere Agentur an strategischer und im OnPage-Bereich zu arbeiten. In den Bereich bin ich dann gewechselt. Erst waren wir zu dritt. Wir waren ein gutes Team, denn die kannten sich mit Webseiten aus und haben mir die Technik erklärt und ich habe mit schönen Titeln und Descriptions und der Content-Optimierung weitergeholfen.
Und wie bist du dann zur Beraterin und Projektleiterin geworden?
Das hat sich nach und nach entwickelt. Im OnPage-Bereich lernte ich viel über die technischen Hintergründe. Gleichzeitig erklärte ich den Technikern, was einen guten Text ausmacht. Ich wurde zum Übersetzer. Ich verstand was die Technik-Nerds gemacht haben und habe das auf Kundenseite dem Management oder der Projektebene vermittelt. Die Leitung des Analystenteams kam dann im Laufe der Zeit noch hinzu.
Worin unterscheidet sich die SEO-Beratung für ein Startup von der für ein DAX Unternehmen?
Bei Startups geht alles viel schneller als bei großen Unternehmen, was vermutlich daran liegt, dass Startups der Suchmaschinenoptimierung einen höheren Stellenwert geben. Bei DAX Unternehmen muss man erst viele Wege gehen und mit vielen Abteilungen sprechen, alle mit an Bord holen. Die scheuen sich davor, weil sie denken, das ist ein neuer Kanal. Aber das ist SEO schon lange nicht mehr.
Und mit wem macht ihr den größeren Umsatz?
Es gibt auch Startups, die bereit sind viel Geld für SEO auszugeben. Bei Startups ist es nur so, dass sie eher schnell-schnell unsere Hilfe brauchen, um später selber am Thema arbeiten zu können. Und dann sind sie auch schon wieder weg. Mit den größeren Unternehmen pflegt man eher langfristige Kundenbeziehungen. Ich mag es mit Startups zusammen zu arbeiten. Aber es ist auch schön, längerfristig an einem Projekt zu arbeiten, und zu sehen, wie es sich entwickelt.
Wie sieht dein typischer Arbeitstag bei Perfomics aus?
Ich stehe meist zwischen 5.30 und 6 Uhr auf. Ich bin ein Frühaufsteher und ich mag das. Zwischen 7 und 7.30 Uhr komme ich meist im Büro an. Es gibt zwei Leute, die noch früher anfangen als ich.
Ich nutze die Zeit morgens meinen Tag zu strukturieren, denn ich kann nicht vorplanen. Ich weiß nicht, was bei meinen Kunden passiert. Es kann sein, dass ein Hilferuf reinkommt, für den ich dann Morgen schon nach Frankfurt muss. Oder bei einem Kunden ist der Traffic eingebrochen und der braucht nun eine schnelle Analyse. Die 30 bis 40 Prozent, die ich in der Woche planen kann, die plane ich direkt durch. Ab 9 Uhr bin ich dann bereit für alles Zusätzliche.
Wenn ich freitags in meinen Terminkalender reinschaue, dann ist der für die kommende Woche meist noch leer. Montags und dienstags füllt der sich dann, denn da kommen die ganzen Meetings rein.
Dann gibt es noch interne Meetings, die Weeklys und Jour Fixes mit dem Kunden, wo wir uns zusammen telefonieren und erzählen was wir gemacht haben und welche Ergebnisse es gibt.
Hast du auch mal Außentermine?
Ja. Es kann schon sein, dass ich mal ein oder zwei Tage pro Woche nicht hier bin, sondern bei einem Kunden für einen Workshop oder einen Pitch. Zu Anfangszeiten habe ich sogar zwei Tage die Woche in München bei einem Kunden gearbeitet.
Wie geht es dann weiter am Tag?
Wir haben hier eine unausgesprochene Regel: zwischen 12 bis 14 Uhr gibt es keine Termine. Das ist die Zeit, in der wir essen gehen. Hier gibt es im Umkreis von 10 Minuten bestimmt 30 Restaurants, wo man hingehen kann.
Zwischen den Meetings sitze ich dann auch mal am Computer. Hier habe ich die Regel, dass alles, was nicht länger als 5 Minuten dauert, sofort gemacht wird. Den Rest lege ich dann auf den Abend, wenn es etwas ruhiger wird. Emails versuche ich sofort zu beantworten, denn es stresst mich, wenn ich zu viele ungelesene Emails habe.
Gegen 18.30 Uhr gehe ich dann nach Hause. Es kann aber auch schon mal 20 Uhr werden.
Wie sieht der Verlauf in einem Kundenprojekt aus?
Die meisten Anfragen von Neukunden, die wir hereinbekommen, kommen entweder durch Empfehlungen, oder sind Reaktionen auf unsere Workshops. Sie kommen auch über unsere Geschäftsführer, die in der SEO Szene bekannt sind. Außerdem publizieren wir auch viele Fachartikel in Magazinen.
Wenn eine Anfrage reinkommt, vereinbaren wir ein Erstgespräch, denn viele Kunden sagen zwar, dass sie SEO machen wollen, wissen aber nicht genau was sie meinen. Ist es ein großer Kunde, fahre ich mit einem der Geschäftsführer zu einem Treffen vor Ort. Meist bin ich aber alleine beim Kunden.
Beim Erstgespräch versuche ich herauszufinden, was bisher gemacht wurde, ob es einen Ansprechpartner gibt, eine Redaktion, was wurde im Off-Page Bereich gemacht, gab es schon Probleme? Eine Standardfrage ist zum Beispiel die, nach der Keyword-Analyse. Die meisten sagen ja und nennen mir dann 5 Keywords. Da müssen wir dann nochmal grundsätzlich über die Keyword-Strategie sprechen. Daraufhin erstelle ich ein Angebot für ein initiales Analyse-Paket. Wenn die Unterschrift erfolgt ist, geht es los.
Eine Keyword-Strategie ist Grundlage für alle weiteren Schritte. Wir recherchieren, clustern und priorisieren die Keywords, auf das dann eine On-Page Analyse folgt. Dazu setzen wir die rosarote SEO-Brille auf. Mit diesen Eindrücken gehen wir dann zurück zum Kunden und halten einen Workshop ab, am besten mit allen Beteiligten aus dem Unternehmen. Wichtig ist, dass alle am Tisch sitzen, denn wir wollen alle Abteilungen in den Prozess involvieren. Ergebnis der umfassenden Analyse ist eine ToDo-Liste für den Kunden.
Hier kann der Kunde dann alleine weitermachen, oder er bucht das Folgepaket und wir helfen ihm entweder mit Beratung, wo wir als Sparringspartner zur Verfügung stehen oder wir sind vor Ort und leiten die Teams bei der Umsetzung an.
Wieviele Mitarbeiter sind bei Kundenprojekten von Performics involviert?
Unser größter Kunde beschäftigt etwa 30 Personen hier bei uns, die dann auch fast Vollzeit nur für diesen einen Kunden arbeiten. Der größte Kunde, den ich betreue, bindet ungefähr acht bis zehn Mitarbeiter. Eine Besonderheit bei uns ist es ja auch, dass wir nicht nur in Deutsch arbeiten. Wir können 15 verschiedene Sprachen bedienen. Das größte Team ist, glaube ich, das französische.
Das ist der Standortvorteil von Berlin. Es gibt viele Muttersprachler, die im Online-Marketing arbeiten wollen und in Berlin leben.
Das heißt alle großen Meetings finden bei uns in Englisch statt, denn wir sind ein sehr internationales Team.
Welches Ticketsystem verwendet ihr?
Wir haben hier alle im Einsatz. Für die interne Teamplanung verwenden wir Asana. Mit Kunden Trello oder Jira. Wir machen das so, dass der Kunde den Account aufsetzt und uns dann einlädt. Denn wir wollen, dass der Kunde auch noch dann über die Daten verfügt, selbst, wenn wir nicht mehr für ihn arbeiten.
Mit welchen Tools arbeitet ihr noch?
Als große Agentur verfügen wir natürlich über alle bekannten Tools: Sistrix, Searchmetrics. Wir arbeiten aber auch viel mit der Search-Konsole des Kunden, die uns dann einen Zugang einrichten. Das heißt wir nutzen auch Analytics, oder eben Webtrekk, OnPage.org und für den Offpage-Bereich ahrefs und Majestic. Wir haben auch so ziemlich alle Addons, die es gibt.
Für die interne Kommunikation nutzen wir Skype und für den Austausch von Dateien haben wir einen eigenen Server, durch den die Mitarbeiter entsprechend auf die Kundenordner Zugriff haben. Unsere Analysten arbeiten viel mit Excel.
Was sind die Dinge, die du unbedingt brauchst um arbeiten zu können?
Mindestens das Handy, aber auf jeden Fall den Laptop. Ansonsten schreibe ich mir alles in meinen Block. Das geht sogar so weit, dass ich Asana Tasks extra auf Post-Ist schreibe, damit ich am Abend den letzten genüsslich zerreißen und wegschmeißen kann. Es gibt für mich kaum etwas Befriedigenderes. Ich brauche das optische, haptische.
Vom Office-Team bekomme ich manchmal Ärger, weil ich so viel Post-Its brauche. Aber das ist mir egal.
Was würdest du Menschen empfehlen, die sich vornehmen deinen Beruf auszuüben?
Wenn man im SEO-Bereich in die Beratung gehen will, dann muss man sich auf ganz unterschiedliche Leute einlassen können. Es wird nicht immer ganz so angenehme Situationen geben und man darf vieles nicht persönlich nehmen. Man darf auch nicht konfliktscheu sein, denn man muss auch mal deeskalierend eingreifen, wie ein Mediator. Manchmal muss man selbst vor einem Vorstand auf den Tisch hauen und sagen: So geht es nicht weiter! Ihr habt uns damit beauftragt und ihr wollt erfolgreich sein, dann muss jetzt mal eine Ansage her.
Außerdem würde ich sagen, dass man im SEO-Bereich nicht neophob sein darf.
Man kann nicht davon ausgehen, dass man dasitzt und eine Aufgabe das ganze Leben lang immer auf die gleiche Weise macht.
Google verändert ständig etwas, wie zuletzt mit dem Keyword-Planer. Und da muss man sich herausfordern lassen und die neue Aufgabe annehmen.
Gibt es Bücher oder Blogs, die du empfehlen kannst?
Search-Engine-Land finde ich sehr gut, oder der Moz-Blog. Ich tendiere da eher zu englischen Quellen und zu meinem Social Feed. Was Freunde und Kollegen auf Facebook posten, schaue ich mir auch ganz gerne mal an.
Und wir machen hier einmal im Monat eine Diskussions-Runde, bei der eine Person interessante Artikel sammelt und wir das gemeinsam durchsprechen. Das sind so an die 15 Leute, bestehend aus den Senior Consultants und Teile der Analysten. Es hat aber auch jeder aus anderen Abteilungen die Möglichkeit daran teilzunehmen.