Das Gebäude von Project A ist fast ausschließlich vom bekannten Venture Capitalist belegt. Nur in der untersten Etage bietet ein Bistro frischen Kaffee und Snacks an. Als wir von Marimar Hollenbach durch die gut gefüllten Etagen geführt werden, überkommt uns das Gefühl, dass hier etwas geht. Erst vor kurzem ist Homeday eingezogen, die wir noch aus dem Kölner Startplatz kennen. Jetzt sitzen wir mit Marimar zusammen, die uns einen Einblick in ihren Job gibt. Die Autodidaktin schwärmt von Meetups und Podcasts und erklärt, warum sie ein Bild von Arnold Schwarzenegger auf ihrem Schreibtisch stehen hat.
Vita
Marimar Hollenbach, 27, ist seit Juli 2015 Creative Developer bei Project A. Nach ersten Startup-Erfahrungen in den USA zieht die gebürtige Mexikanerin nach Berlin, wo sie nicht nur ihren Mann, sondern auch die Startup-Community findet. Hier organisiert sie Events für die Open Tech School und die Nodeschool.
Empfehlungen
- Online-Kurse: Linda.com
- Podcasts: Shop Talk, Soft Skills Engineering, 99% Invisible
Hallo Marimar, was ist dein Job bei Project A?
Ich bin seit einem Jahr und drei Monaten bei Project A und als Creative Developer so etwas wie das Bindeglied zwischen Design und Entwicklung. Mein Job besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich beide Abteilungen ein bisschen besser verstehen. Designer beschweren sich oft darüber, dass ihre Designs nicht eins zu eins umgesetzt werden. Im Gegenzug beschweren sich Entwickler über unmöglich umzusetzende Wunschlisten.
Da ich mich für beide Jobs interessiere, bin ich gerne schon sehr früh im Prozess involviert. Ich sehe was schwer und was einfach umsetzbar ist und kann so den Prozess etwas reibungsfreier gestalten. Ich versuche Programmierung in das Design einfließen zu lassen.
Wie muss man sich das innerhalb eines Projekts vorstellen?
Am Anfang steht das Resource-Planning Meeting, bei dem unserem Head of Productmanagement darüber informiert, für welches Projekt wir eingesetzt werden. Dort gibt es auch schon das erste kleine Briefing. Für mein aktuelles Projekt, dem Redesign einer großen E-Commerce-Plattform, sind wir zum Beispiel für vier Monate in die Büroräume des E-Commerce-Unternehmens gezogen. Wir bekamen einen eigenen Raum, Tische, Stühle und legten sofort los. Alles in allem haben wir acht Design-Sprints umgesetzt, und zwar mit der von Google Ventures entwickelten Methode.
Spannend an diesem Projekt war, dass es sich um eine etablierte Firma mit einer gewachsenen Unternehmenskultur handelte. Unsere Aufgabe war ein agiles Mindset und eine agile Kultur einzubringen.
In diesem Fall gliederten wir die Webseite in acht Hauptbereiche, an denen wir verschiedene Probleme lokalisiert hatten. Dieser Prozess dauerte eine Woche. Wir definierten das Problem, überlegten uns gemeinsam mit den Unternehmenskollegen eine Lösung, bauten einen Prototypen und testeten diesen. Dafür eigneten sich besonders die Mitarbeiter des Kundenservice, denn sie sind Poweruser und haben täglich den direkten Kundenkontakt. Danach testeten wir es mit echten Nutzern und ließen auch deren Feedback in das Ergebnis einfließen. Diesen Prozess spielten wir mit allen acht Bereichen durch.
Jetzt wissen wir ziemlich genau was funktionieren wird und was nicht. Klar, nicht alles kann man vorher zu 100 Prozent testen. Aber mit den Prototypen lässt sich ein Anfang machen. Dieser Prozess ist nun abgeschlossen und wir haben angefangen das erste Feature zu programmieren.
Bei wie vielen Projekten von Project A warst du bereits involviert?
Ich war bereits in zwei großen Projekten involviert. Für das erste Projekt war ich für neun Monate bei den Horizn Studios. Danach arbeitete ich an ein paar kleineren Projekten, an einer Webseite für eine Konferenz und an unserer eigenen Webseite. Im Anschluss daran kam ich zum aktuellen Projekt.
Wie unterscheiden sich die beiden großen Projekte voneinander?
Horizn Studios war ein Startup, das wir hier im Haus gemeinsam mit den Gründern gestartet haben. Das war also zu hundert Prozent Startup-Spirit. Das große E-Commerce Unternehmen war das erste Mal, dass ich mit einem Unternehmen in dieser Größenordnung zu tun hatte.
In der Startup-Welt geht es sehr international zu. Die mittelständische Welt fühlt sich dagegen sehr deutsch an.
Das war gut, um mein Deutsch zu verbessern. Letztendlich versuchen wir aber nichts zu erzwingen. Der Prozess muss sich ganz natürlich anfühlen. Wir passen uns erst einmal an und sind respektvoll gegenüber dem, was sie gebaut haben, und auf das sie stolz sind. Wir wollen nichts wegnehmen oder kritisieren. Aber wenn da Prozesse oder Produkte sind, die sich optimieren oder verbessern lassen, dann wollen wir das auf eine angenehme Weise tun.
Welche Tools setzt ihr bei Project A ein?
Für Design benutze ich Sketch, Invision App und Framer. Die letzten Beiden nutzen wir für die Kommunikation und für das Prototyping. In der Entwicklung nutze ich Atom und PhpStorm, abhängig davon, was ich gerade mache. Dann natürlich das Terminal und den Browser.
Product Jobs
Außerdem nutzen wir viel Post-its. Manchmal ist es wichtig komplett offline zu gehen und nur das aufzuschreiben, was einem einfällt, ohne dass man sich parallel davon von anderen Webseiten inspirieren lässt. Das ist etwas, das wir gerade in den Design-Sprints häufig machen. Überall hängen dann Post-its und wir sind von unseren Ideen umgeben.
Und was ist mit Photoshop?
Photoshop ist für Fotografen. Jeder sollte Sketch nutzen, denn meiner Meinung nach ist es das beste Tool für die Art und Weise, wie wir Produkte entwickeln. Es bringt die nötige Modularität, die wir brauchen, um Entwürfe teilen und darüber diskutieren zu können. Und als Designer bist du viel schneller als mit den anderen Monstern wie zum Beispiel Photoshop.
Welche Hardware brauchst du, um arbeiten zu können?
Definitiv meinen Laptop. Ich mag es mindestens einen zusätzlichen Monitor zu haben, auch wenn es sich dann anfühlt wie im Kontrollraum eines Raumschiffs. Dann brauche ich natürlich Kopfhörer. Mit Musik geht der Tag schneller vorüber und sie inspiriert mich. Und meinen ergonomischen Bürostuhl. Den nehme ich mit, wo auch immer ich hingehe.
An deinem Arbeitsplatz hängt ein Bild von Arnold Schwarzenegger. Was hat es damit auf sich?
Arnold Schwarzenegger ist so etwas wie ein Vorbild für mich. Ich glaube es ist sein Ansatz sich zu motivieren, die Art und Weise wie er Ziele erreicht. Ich habe mich eigentlich nie sonderlich für ihn interessiert, bis mein Mann mich auf seine Motivationsvideos aufmerksam gemacht hat. Arnold ist in der Lage sich immer wieder neu zu erfinden, das ist bewundernswert. Die Art und Weise, wie er Erfolg definiert, finde ich sehr motivierend.
Habt ihr die Möglichkeit bei Project A neue Technologien auszuprobieren?
Wir setzen Technologien in unseren Ventures erst ein, wenn wir ganz genau wissen, dass es funktioniert. Wir nutzen die Ventures also nicht für unser Testing. Für gewöhnlich wissen wir, dass etwas funktionieren wird, oder das Risiko ist sehr gering.
Allerdings haben wir schon die Möglichkeit etwas zu testen. Zwischen den Projekten, wenn es in der Woche etwas entspannter ist, können wir mit der einen oder anderen Technologie herumspielen.
Einmal im Monat gibt es dann noch den IT Open Space, an dem wir mit neuer Technologie experimentieren können. Anschließend besprechen wir bei mir im Team was wir gelernt und ausprobiert haben.
Wie sieht dein Werdegang aus?
Geboren und aufgewachsen bin ich Mexico. Mit 17 Jahren bin ich in die USA gegangen und habe dort unter anderem einen Online-Shop für Kostüme für das Burning Man Festival aufgebaut. Allerdings wollte das nicht so recht klappen. Das war für mich ein Zeichen. Ich bin nach Berlin für einen ausgedehnten Urlaub und habe dort meinen Mann kennengelernt. Also bin ich hierher gezogen und habe ein neues Leben angefangen.
Wie bist du dann Entwickler geworden?
Ich denke, das hat etwas mit meinem Background zu tun. Zunächst studierte ich Umweltschutz, allerdings war ich damit nicht sehr glücklich. Danach war ich in vielen verschiedenen Kunst-Projekten involviert. Als ich in San Francisco meinen Shop geschlossen hatte und nach Berlin gezogen war, war das für mich die Möglichkeit mich ganz neu zu erfinden. Ich fing an mir selbst Graphik Design und Web Design beizubringen. Der nächste Schritt war dann mir selbst das Coden beizubringen. Zu der Zeit kam ich an eine Praktikumsstelle, wo ich einen tollen Mentor hatte, der mich ein wenig unter seine Fittiche genommen hat. Was mir aber auch sehr geholfen hat, waren die vielen Communities in Berlin, die Lerngruppen, Meetups und Konferenzen. Und die Online Kurse!
Welche Online Kurse hast du genutzt?
Ganz unterschiedliche. Für Design habe ich viel Linda.com genutzt, für Javascript Wes Bos. Die Kurse dort sind wirklich sehr gut. Und natürlich YouTube.
Was für ein Designer bist du?
Ich bin eine digitale Designerin. Beim Design ist das ein bisschen kompliziert, denn es gibt das, was ich mag und das, was der Kunde braucht. Bislang habe ich hauptsächlich User Interfaces designt. Was ich an UX sehr mag, ist die Tatsache, dass man Ideen an echten Nutzern testen kann. Du kannst dann schnell herausfinden, ob deine Idee das Problem tatsächlich löst. Ich glaube, so sollte heutzutage jeder designen, unabhängig von der Perfektion der Pixel oder eines perfekten Farbschemas.
Ich persönlich beschäftige mich zur Zeit sehr gerne mit Animationen. Jeden Freitag habe ich die Möglichkeit mich in diesem Gebiet fortzubilden. Wir haben da so etwas wie ein Curriculum eingerichtet.
Wie sieht dein Tagesablauf bei Project A aus?
Für gewöhnlich wache ich so gegen halb Acht auf und bin dann gegen neun Uhr auf der Arbeit. Zuerst hole ich mir einen Kaffee und einen Snack und checke meine E-Mails. Um 10 Uhr habe ich das Standup-Meeting mit meinem Team. Tatsächlich gibt es ein paar Standups am Morgen. Das für Frontend und Design organisiere ich selbst. Eine halbe Stunde später findet das für die IT statt, zu dem sich eine viel größere Gruppe einfindet.
Ich arbeite dann bis um 12.30 Uhr. Dann gehe ich mit meinen Kollegen etwas zu Mittag essen. Dann gehts weiter. Das können dann Designsprints sein, was sehr intensiv ist. Oder ich designe Pixel mit Sketch, beziehungsweise mit Code und Programmierung für das Frontend. Gegen sieben Uhr fahre ich dann nach Hause.
Die Arbeit von Project A ist ja meist für Andere, wie muss man sich das vorstellen?
Wir werden Mitarbeiter der Ventures. Wir ziehen in ihr Büro und sind zu 100 Prozent Teil des Teams. Was auch immer das Venture braucht, das machen wir auch.
Wie geht man damit um, sich immer wieder umstellen zu müssen?
Das ist eine Challenge! Auf der einen Seite verstehe ich, warum wir zu 100 Prozent in der Firma aufgehen müssen. Ich denke, wir wären anders gar nicht in der Lage uns in das Problem hineinzudenken. Auf der anderen Seite weiß man nie, wo man als nächstes arbeiten wird. Manchmal ist das in einem anderen Gebäude, manchmal hier vor Ort in unserem Büro. Wir sammeln dadurch extrem schnell Erfahrungen. Kein Job für Jedermann!
Welche Themen sind für dich als Designer wichtig?
Design ist mehr als nur eine Disziplin aus hübschen Pixeln und Farben, das wird Vielen immer bewusster. Design ist eine Methode zur Lösung von Problemen. Designer werden mehr und mehr als ernstzunehmende Business-Partner angesehen. Man nimmt sie immer mehr als die Leute war, die man braucht, um im Digitalen bestimmte Aufgaben zu erfüllen.
Mehr und mehr Designer lernen außerdem zu programmieren und realisieren, dass es sich hier nur um ein anderes Medium handelt. Obwohl man zu ähnlichen Resultaten kommt, ist es im Vergleich einfach nicht dasselbe, wenn man Pixel mit Sketch oder Photoshop designed, als wenn man tatsächlich programmiert.
Welche Quellen kannst du empfehlen, um sich zum Thema Design und digitale Produktentwicklung noch tiefer zu informieren?
Ich bin ja ein großer Podcast-Fan. Den Podcast Shop Talk kann ich sehr empfehlen. Das ist ein Podcast über Webdesign hosted by Chris Coyer, der gleiche Typ, der auch codepen macht. Einfach wunderbar wie er komplizierteste Sachverhalte auf eine verständliche Form herunter bricht.
Ein anderer Podcast ist Soft Skills Engineering, den ich sehr viel höre. Da geht es eher darum, wie man Leute innerhalb eines Engineering-Teams behandelt und was man macht, wenn Probleme entstehen. Ein Podcast, den ich wirklich jedem wärmstens empfehlen kann.
Ein Podcast, der sich eher an die Designer richtet, ist 99% Invisible. Darin geht es um die Objekte des Alltags. Die Idee ist: Alles was du sehen kannst sind gerade mal 1 % des Designs. Der Podcast springt thematisch durch alle möglichen Bereiche. Aber es ist schön zu sehen, wie sich hier auf der Arbeit dann doch wieder alles zusammen fügt.
Gibt es etwas, was du anders machst als deine Kollegen?
Alles was ich mache ist anders, ich bin die Einzige! (lacht). Es ist ein einzigartiger Job, den ich immer wieder erklären muss, damit die Leute verstehen, was ich mache.
Was wissen die wenigsten über deinen Job?
Ich denke für Designer und Entwickler ist es schwer zu verstehen, wo mein Job anfängt und wo er aufhört. Darum ist es wichtig am Anfang ein Briefing zu haben, um alles zu besprechen.
Beschäftigst du dich außerhalb der Arbeit mit Nebenprojekten?
Nichts was direkt mit Softwareentwicklung zu tun hat. Aber im Eventbereich mache ich einiges: Ich bin sowohl bei der Nodeschool aktiv, die wir hier bei Project A einmal im Monat hosten, als auch bei der Open Tech School.
Kürzlich habe ich viel mit CC4AV (Creative Code for Live Audio Visuals) gearbeitet. Wir haben begonnen ein monatliches Meetup hier bei Project A zu organisieren, welches sich um Kunst, Musik, Technologie und der Arbeit mit MaxMSP, einer Software für Medienmanipulation, dreht.
Den größten Teil meiner Freizeit verbringe ich bestimmt mit Networking auf den Events, wo ich mir dann viel die Präsentationen anschaue und daraus lerne. Ich liebe es auf Events zu gehen und sie zu organisieren. Ich bin gerne Teil der Community.
Würdest du dich selbst als erfolgreich ansehen?
Soweit ich das sehe, geht meine Arbeit in eine gute Richtung. Aber ich sehe noch viel Potential, wo ich wachsen und lernen kann. Ich würde z.B. gerne mehr an künstlerischen Konzepten arbeiten.
Grundsätzlich denke ich aber schon, dass ich bisher Erfolg hatte und erfolgreich bin, denn alles, was mich in die Lage versetzt hat heute hier zu sein, habe ich mir selbst beigebracht. Ich glaube, selbst wenn ich auf unmittelbarem Weg Informatik an der Uni studiert hätte, würde dies nicht automatisch bedeuten, dass ich direkt bei Project A als Creative Developer eingestellt worden wäre. Ich denke das Wesentliche wonach dieses Unternehmen sucht, abgesehen von Fachwissen, ist Antrieb und ein gewisser entrepreneurial Spirit.
Bitte erzähle uns von deinem größten Fail.
Als ich in San Francisco lebte, hatte ich ein Fashion Label. Ich verkaufte Kostüme online. Zielgruppe waren Leute, die auf Festivals gehen. Zu diesem Zeitpunkt war ich stark beim Burning Man Festival involviert. Ich habe versucht mit Kreativität und harter Arbeit erfolgreich zu sein. Die Realität war aber, dass ich keine Ahnung vom Business hatte und auch keine kühlen Entscheidungen treffen konnte. Ergebnis: Das Business floppte. Wenn ich heute die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich vieles anders machen. Mein Learning war, dass man in der Lage sein muss frei von Emotionen Entscheidungen zu treffen. Allein das Vertrauen, dass alles irgendwie gut wird, reicht einfach nicht.
Was würdest du Leuten empfehlen, die ähnlich arbeiten möchten wie du?
Ich würde definitiv empfehlen sich mit der Community auszutauschen und sich zu informieren, wie es ist in einem Startup oder einer Agentur zu arbeiten. Ich glaube sogar, wenn man in der Community aktiv ist, hat man eine wesentlich höhere Chance an ein Vorstellungsgespräch zu kommen. Außerdem ist es wichtig klar zu machen, wofür man sich interessiert und was man machen will. Es ist wichtig, dass man sich zutraut das zu sagen. Denn nur dann besteht auch die Chance, dass man genau die Stelle findet, die man haben möchte. Selbst wenn es wie in meinem Fall eine sehr spezielle Position ist.
Vielen Dank für das Interview!
Dieses Interview wurde ursprünglich auf Englisch am 7. August 2016 in den Räumlichkeiten von Project A in Berlin aufgenommen.
Webseite: https://www.project-a.com