Stefan Klefisch, Geschäftsführer und Entwickler bei 42dp Labs

Stefan ist Geschäftsführer und Entwickler der Digital-Agentur 42dp Labs. Er zeigt uns anhand eines Projektes für die Metro, wie VR-Prototyping funktionieren kann und warum sie die Konsole Holoship gebaut haben, die den Pepper’s-Ghost-Effekt nutzt.

Vita

Nach seinem Studium der allgemeinen Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz an der Hochschule Furtwangen, macht sich Stefan 2008 zusammen mit seinem Freund und Kollegen Omid Hashemi selbstständig. Als 2011 Arzu Uyan dazustößt, gründen sie die Digitalagentur 42dp Labs GmbH, die heute 10 Festangestellte zählt.

Tools

  • Visual Studio 2017 , C#
  • Unity
  • Sublime, Git, GitLab
  • AciveCollab

Empfehlungen

  • Stack Overflow
  • Feedly
  • Bücher: „Seveneves“, „Ready Player One“

Social

Hallo Stefan, wie lange seid ihr schon in diesen Büroräumen? Die Wände sind so clean, man könnte meinen, ihr seid gerade erst eingezogen.

Manchmal sieht es hier auch anders aus. Aber wenn in einem Projekt die Konzeptphase vorbei ist, werden die Sachen wieder abgehangen. Ich finde es erdrückend, wenn du überall Post-its hast. Beim Konzepten selber ist es einfacher, Papier zu verwenden. Aber danach muss es digital sein.

Wie viele Leute arbeiten bei 42dp?

Wir sind zu sechst. Zusätzlich haben wir einen Pool von Freiberuflern. Unsere Philosophie ist es, zu Projekten in spezialisierten Teams zusammenzusitzen. Es ist einfach gut, wenn man über Leute mit guten Kernkompetenzen verfügen kann. Das ist für den Kunden ideal und man hält keine unnötigen Ressourcen vor.

Du hast nach dem Studium direkt mit dieser Agentur angefangen. Was hast du studiert?

Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz. Mir war eigentlich von Anfang an klar, dass ich etwas Eigenes aufbauen wollte. Mitte 2008, nach dem Abschluss des Studiums haben Omid Hashemi und ich uns Selbstständig gemacht. 2011 kam Arzu Uyan mit an Board und wir haben 2013 die 42dp Labs GmbH gegründet. Omid und ich kennen uns schon seit dem Gymnasium und haben zusammen das Gleiche in Furtwangen im Schwarzwald studiert. Arzu hatten wir in der Studienzeit kennengelernt.

Mit welchen Projekten beschäftigt ihr euch bei 42dp?

Wir machen sehr viel Agenturarbeit, aber probieren unseren Fokus gerade auf eigene Projekte umzuschwenken. Im Grunde haben wir uns schon immer die Freiheit genommen, das zu tun, worauf wir Lust haben. Schon während des Studiums haben Omid und ich an Forschungsprojekten teilgenommen und nicht einfach nur die Vorlesung abgerissen. Für den eco setzen wir zum Beispiel jedes Jahr ein Exponat für die Passagen um, das außerhalb unserer Agenturarbeit steht. Bei den letzten Passagen haben wir das Projekt „Abstractures“ gebaut, wozu wir eine HoloLens nutzten. Das Jahr davor haben wir das Holoship gebaut, eine Spielekonsole, die den Pepper’s-Ghost-Effekt nutzt.

Das sind Projekte, die keinen kommerziellen Hintergedanken haben, die uns aber die Möglichkeit geben, spielerisch neue Technologien zu nutzen und anhand eines Projektes zu lernen.

Wie muss man sich deinen Alltag vorstellen? Bist du eher Geschäftsführer oder Entwickler?

Entwicklung ist schon ein großer Teil meines täglichen Jobs. Ich programmiere fast jeden Tag an Virtual-Reality-Projekten. Davor habe ich sehr viel Front-End-Entwicklung gemacht. Was an Geschäftsführung und Managen anfällt, kommt halt dazu. Wir haben versucht, das etwas aufzuteilen. Im Moment ist Omid derjenige, der Neukundengespräche führt und zum Kunden rausgeht. Ich kümmere mich um den technischen Part.

Mit welchem Projekt beschäftigst du dich momentan?

Wir haben letztens ein Projekt für die Metro abgeschlossen. Dabei ging es um User-Research, die wir mit einer VR-Anwendung begleitet haben. Es ging darum, ein Store-Konzept zu evaluieren. Dazu haben wir den kompletten Store virtuell nachgebaut und bestimmte Aufgaben definiert, die die Nutzer in der virtuellen Realität lösen mussten. Da ging es zum Beispiel darum, bestimmte Sachen einzukaufen. Wir haben dann eine Analyse gemacht und die ist mit in die Ergebnismappe eingeflossen.

Was war die Herausforderung bei diesem Projekt?

Bei diesem Projekt haben wir mit der Agentur “Futurest” zusammengearbeitet. Sie war die Lead-Agentur, die den theoretischen User-Research definiert hat, wir die Agentur, die das technisch umgesetzt hat.

Die erste Herausforderung war, den Shop begehbar zu machen. Dazu gingen die Pläne von der Metro an einen Innenarchitekten in Berlin, der diese digital aufbereitet hat und uns im FBX-Format zur Verfügung gestellt hat. Das Projekt lief auf Unity und da haben wir die Modelle reingeladen. Wenn man Modelle von einem Architekten bekommt, sind die meist viel zu komplex, um sie in Echtzeitanwendungen zu verwenden. Darum haben wir einen 3D-Artist hinzugenommen, der die Modelle für uns optimiert hat.

Was gilt es zu optimieren?

Bei einer VR-Anwendung ist die Framerate superentscheidend, um Motion Sickness zu vermeiden. Ein Faktor ist zum Beispiel die Anzahl der Polygone, die gleichzeitig gezeichnet werden. Eine Anwendung sollte maximal ein bis zwei Millionen Polygone haben. Wenn man also das Modell einer Kühltheke hat, dann kommt das vom Architekten schon mit einer Million Polygone. Der 3D-Artist vereinfacht Formen und ersetzt zum Beispiel Wellen oder ein Luftgitter mit einer Textur. Mit bestimmten Verfahren und Shadern sieht das dann genauso aus, wirkt sich aber positiv auf die Performance aus. Die Optimierung ist der initiale Schritt, mit dem man die Simulation begehbar macht.

Was folgte darauf bei diesem Projekt?

Ein anderer Schritt war der Aufbau von Einkaufsprozessen. Zusammen mit dem Kunden wurde eine Liste von typischen Produkten entwickelt, die der durchschnittliche Einkäufer in Südfrankreich einkaufen würde: bestimmte Käsesorten, Messer, Gabeln.

Außerdem sollte eine digitale Bestellstrecke getestet werden. Angenommen, du gehst in einen Laden und ein Produkt ist gerade aus, dann hattest du in unserem Fall die Möglichkeit, das Produkt über ein Terminal zu bestellen. Die Terminals sind neue Geräte in einem Markt, die in unserer Anwendung getestet werden sollten.

Wichtig war zum Schluss, das alles zu tracken.

Wie habt ihr das umgesetzt?

Wir haben auf Basis von C# ein System in Unity geschrieben, das zum Beispiel die Laufwege als Heatmap generiert. Da sieht man sehr schön, ob ein User sich zurechtgefunden hat oder ob er sich im Kreis gedreht hat. Außerdem sieht man durch unser System, wie lange der Kunde gebraucht hat, ob er die neuen Terminals verwendet hat oder ob er davor abgebrochen hat.

Welche Tools brauchst du dazu bei der Entwicklung?

Für die Programmierung benutzen wir Visual Studio 2017 als unsere IDE. Das ist für VR-Projekte die Chain. Wir nutzen C#, da ich finde, dass das für die Performance noch mal besser ist, als das Programm mit Javascript zu entwickeln. Man ist auch freier und kann einfach mal machen.

Für das Performance-Tracking nutze ich den Profiler, den Unity direkt mitbringt. Sublime ist mein Texteditor der Wahl und wir nutzen Git für das Versionieren. Als Ticketsystem haben wir ActiveCollab für das Projektmanagement und zusätzlich nutzen wir noch das Ticketsystem von GitLab.

Wie muss man sich bei euch die Kommunikation mit dem Kunden vorstellen?

Wir probieren, da nicht so einen Riesen-Overhead zu haben. Man muss direkt mit den einzelnen Personen im Unternehmen sprechen können und sich nicht erst durch zig Ebenen arbeiten müssen. Denn das verfälscht auch oft die Anforderungen. Das ist natürlich nicht immer möglich. Wenn wir aber direkt mit dem Kunden sprechen können, dann kann es auch mal sein, dass neue Ideen entstehen, die über den ursprünglichen Gedanken hinausgehen.

Was sind die Ergebnisse des User-Research-Projekts bei der Metro?

Das Ergebnis unseres Projekts floss in das Gesamtergebnis ein, ein 100 Seiten dickes Booklet mit allen Analysen und Befragungen. Durch unser Projekt war es erst möglich virtuell zu testen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob du ein Bild in 2D vor dir hast oder selbst im Raum stehst. Erst dann kannst du Fragen beantworten wie: Erkennt man die unterschiedlichen Bereiche des Ladens? Welche Wirkung haben sie auf mich? Funktioniert die Werbung?

Tatsächlich ist der Eingangsbereich nochmals komplett überarbeitet worden, weil man durch die VR-Anwendung gesehen hat, dass es so nicht funktioniert. Es wurden neue Modelle gemacht und wir konnten nach der Überarbeitung eine deutliche Verbesserung erkennen.

Welche Themen und Trends beschäftigen dich gerade?

VR an sich ist der Trend. In Zukunft werden aber noch mehr die Hände ins Spiel kommen. Klar, es gibt schon die Touch Controller und die funktionieren auch ganz gut, aber eigentlich nicht gut genug. Probleme gibt es auch noch mit den Brillen. Die brauchen noch ein breiteres Sichtfeld und wenn jemand schwitzt, dann muss man die Brille erst mal putzen, damit man weitermachen kann. Da wird sich in Zukunft in Sachen Hardware noch einiges tun.

Zum Thema Anwendungsgebiete finde ich weniger die Games interessant, auch wenn man da schöne Showcases hat. Gerade der Produktsektor birgt spannende Möglichkeiten, die auch für den Kunden Sinn machen. Die Technologie ist mittlerweile so gut, dass sich damit wie in unserem Projekt frühzeitig Fehler in Konzepten finden lassen und so bares Geld gespart werden kann.

Wenn die beiden Geschäftsführer sich seit Jahren kennen, wie wirkt sich das auf die Unternehmenskultur aus?

Wir legen sehr viel Wert darauf, dass die Leute, die hier arbeiten, nicht nur Mitarbeiter sind, sondern dass man sich gut kennt und Sachen zusammen macht. Wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Arzu zum Beispiel, die das Projektmanagement und Relationship Management macht, haben wir im Studium kennengelernt. Wir versuchen Leute, die wir gut kennen, hierzubehalten. Das gilt auch für Freiberufler. Im Idealfall kennen wir die Leute auch privat und es ist einfach mehr als nur die geschäftliche Beziehung.

Wie definierst du Erfolg?

Ich finde das schwer zu definieren. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und bin bis jetzt sehr glücklich damit was ich beziehungsweise wir als Firma tun. Für mich ist es wichtig, Projekte umzusetzen, die mich und auch meine Kollegen technisch herausfordern und auch nachhaltig für den Kunden sind. Dabei stand bei uns nie eine schnelle Expansion im Fokus, sondern ein organisches Wachstum.

Gibt es etwas, was dich an deinem Job stört?

Wenn die falschen Ziele verfolgt werden. Und es fehlt oft die Liebe zum Detail. Es kommen oft Agenturen auf uns zu und fragen, ob wir das oder das mal schnell bauen können. Für uns ist es wichtig, zu zeigen, dass es nicht nur funktioniert, sondern es sich auch gut anfühlen muss.

Wir arbeiten mit einer tollen Designerin zusammen und versuchen immer einen sehr engen Kontakt zu den Designern zu pflegen. Wir treffen uns dann oft vor Ort und balancieren etwas gemeinsam aus. Also indem man einfach zusammensitzt und es so lange dreht, bis es sich gut anfühlt. Diesen hohen Detailgrad vermisse ich bei vielen Projekten.

Gibt es etwas, was dich bei der Arbeit wahnsinnig macht?

Wenn ich zu oft gestört werde und aus einer Arbeit und einem Denkprozess herausgerissen werde. Gerade bei mehreren gleichzeitigen Projekten, wenn man an verschiedenen Fronten kämpft. Ich bin jemand, der umsetzen möchte, ich möchte Sachen bauen. Wenn man das nicht kann, weil man von außen vielleicht von jemandem blockiert wird, dann macht mich das wahnsinnig.

Womit hältst du dich auf dem Laufenden?

Die ganz normalen Sachen, die man liest, wie zum Beispiel Stack Overflow. In letzter Zeit bin ich dabei, die News zu reduzieren, weil ich merke, dass mich zu viel von außen ablenkt. Aber ich habe Feedly-Listen mit Blogs, die ich durchgehe.

Es ist extrem selten, dass ich Bücher lese. Wir haben ein paar Algorithmen-Bücher neu bestellt, das macht zu speziellen Themen durchaus Sinn. Was ich allerdings auch sehr cool als Inspirationsmedium finde, sind Science-Fiction-Bücher. Die lese ich dann privat und bringe sie hierhin mit, damit jemand anderes sie noch liest.

Welche Autoren sind das zum Beispiel?

Stephenson und Gibson. Das sind die zwei, von denen ich am meisten lese. Aktuell lese ich von Stephenson Seveneves. Letzten Monat habe ich Ready Player One gelesen, der ja bald in die Kinos kommt. Da bin ich sehr gespannt, wie die VR filmisch umgesetzt ist.

Lieber Stefan, vielen Dank für das Interview.

Dieses Interview wurde am 22. Mai 2017 in den Räumlichkeiten von 42dp geführt.